22.6.16

The Neon Demon

Frankreich, USA, Dänemark 2016 Regie: Nicolas Winding Refn mit Elle Fanning, Karl Glusman, Jena Malone, Bella Heathcote 117 Min. FSK: ab 16

Der neue sensationelle Schocker von Niklas Winding Refn nach „Drive" (2011) und „Only God Forgives" (2013) sowie und der frühen „Pusher"-Trilogie (1996-2005). „The Neon Demon" ist allerdings ein Refn-Film ohne Ryan Gosling. Dafür mit Keanu Reeves in einer Mini-Rolle als Motel-Chef in der Tradition von Norman Bates. Hier "Psycho" herbeizuzitieren, ist nicht zu gewagt, denn „The Neon Demon" brennt sich nicht nur in Netzhaut und Gehirnwindungen, er wird zukünftig in den klugen Bücher über Psychologie und Film ein Kapitel einnehmen.

„The Neon Demon" ist die Geschichte eines jungen Dings aus der Provinz, dass in Hollywood als Model Karriere machen will. Die 16-jährige Jesse (Elle Fanning) wirkt naiv, aber sie weiß, sie ist schön. Und Schönheit ist die härteste Währung: „Schönheit ist nicht alles, es ist das Einzige!" Schnell lässt Jesse ihren selbstlosen Freund hinter sich, ein harter, pulsierender Soundtrack (Musik: Cliff Martinez) treibt sie in die Kunstwelten der Models und Designer. Eine sehr freundliche aber auch geheimnisvolle Maskenbildnerin macht sie mit „älteren" Super-Models bekannt, eine Party mit diesen eiskalten blonden Schönen wirkt fast wie eine Horrorshow.

Bei Jesses rasantem Aufstieg zum Star des Laufstegs bleiben die aber neidvoll zurück. Während sich genial klare Reflektionen über das unverschämte und rücksichtslose Wesen von Schönheit sehr kunstvoll ausbreiten, wächst der Neid der „alten" Kolleginnen, die sich mit 21 gefälligst aus dem Geschäft verabschieden sollen. In einem großartigen Splatterfest der Supermodels in den Hollywood Hills schließt sich der Kreis zum inszenierten Kunstblut der ersten Szene. Die wahre Bedrohung für die Frauen stellen nicht die penetranten Männer in der Branche dar, es sind die Frauen selbst, die zu Vampiren des eigenen Geschlechts wurden.

Selbstverständlich ist auch dieser Refn voller Gewalt, diesmal ist es aber eine latente, systemimmanente und dann selbstzerstörerische. Die dauernden Geschichten von heftigen Schönheitsreparaturen sind ebenso unappetitlich wie die Casting genannten Szenen der Fleischbeschau. Refn hängt an einen genialen, umwerfenden Film noch einen Epilog an, in dem das wunderbar Klare noch mal im Horror-Stil durchgekaut und hochgewürgt wird. Dabei ist das Verspeisen eines Auges doch nur die konsequenteste Darstellung vom „Augenschmaus", den uns das Kino vor allem bei Refn fortwährend serviert. Allerdings in dem Sinne, das hier das überwältigende Kino den Beobachter über das Auge verschlingt.