14.10.14

20.000 Days On Earth

Großbritannien 2014 Regie: Iain Forsyth, Jane Pollard 98 Min. FSK: ab 6

Der australische Sänger, Musiker, Dichter und Schauspieler Nick Cave wirkt in seinen Auftritten sehr egozentrisch. Den beiden Künstlern Iain Forsyth und Jane Pollard gelang nun ein sehr egozentrischer und noch viel kunstvollerer, fiktionaler Dokumentarfilm über Nick Cave, der sogar einen ausgesprochenen Nicht-Fan begeistern kann.

Der fiktionale 20.000. Tag im Leben des 57-Jährigen beginnt schon nach dem Aufstehen mit einer Selbstbetrachtung im Spiegel. Cave ist Objekt der Betrachtung und selbst Erzähler. Man kann diesen Mann verehren oder kann es albern finden, wie der, der sich als hauptsächlicher Schriftsteller bezeichnet, im Zwei-Fingersystem auf seiner Schreibmaschine rum hämmert. Doch spätestens wenn die immer quicklebendige und reizvolle Montage sanft fließend wie eine Cave-Ballade und dann wieder rauh wie die punkigen Anfänge mit seiner Band Bad Seeds die Tasten eines Piano einflicht, wird klar: Diese dauernd mit inszenierter Wahrheit spielende Dokumentation ist etwas Besonderes.

Und etwas Humorvolles, wenn der Anruf von Caves Frau den kreativen Prozess jäh unterbricht und den Künstler zum Psychoanalytiker schickt. Die Sitzung soll die Tiefen einer Persönlichkeit ausleuchten, aber gibt es hier im Blick von mindestens drei Kameras wirkliche Offenbarung? Selbst wenn es um den frühen Tod des Vaters geht und der aufgewühlte Cave die Aufnahme unterbricht, bleibt das semidokumentarische Werk hochgradig künstlich und kunstvoll.

Ebenso wie die halben Selbst-Gespräche im Auto, wobei der traumhaft auftauchende Gegenpart immer ein „Weggefährte" Caves ist: Mal der Schauspieler Ray Winstone, mal Blixa Bargeld, dann auf dem Rücksitz Kyle Minogue, mit der Cave den Hit „Where The Wild Roses Grow" hatte. Immer wieder unterhalten sich Performer über Ängste und Energien in der Konfrontation mit dem Publikum und Cave teilt uns auch ausführlich die Grundlagen seiner Ästhetik mit.

„20.000 Days On Earth" wühlt tief - und wiederum sehr unterhaltsam aufbereitet - in einem eigenen Archiv zu Cave, das zumindest als Ort und vielleicht auch in Details eine Erfindung der Filmemacher ist. Erinnerungen an seine Berliner Zeit und die Flohmärkte damals kommen zutage, ein frühes Testament. Selbstverständlich darf die Entwicklung und das Entstehen von neuen Liedern nicht fehlen - allein hierbei ist die tolle Halb-Mockumentary ein klein wenig konventionell - was den Fans ebenso gefallen wird, wie die ausführlichen Konzertaufnahmen und die Filmmusik von Nick Cave und Warren Ellis.