29.4.14

Vergiss mein Ich

BRD 2014 Regie: Jan Schomburg mit Maria Schrader, Johannes Krisch, Ronald Zehrfeld, Sandra Hüller 93 Min. FSK: ab 12

„What condition my condition was in..." mit dem Song von „The Big Lebowski" beginnt Jan Schomburgs neuer Film, nur diesmal zeigt die Animation zum Gesicht von Maria Schrader Gehirn-Scans. Lena Ferben (Schrader), wie der Regisseur in Aachen geboren, hat aufgrund einer Gehirnentzündung plötzlich ihr biografisches Gedächtnis verloren. Ein verlorener Blick sucht nun in der gemeinsamen Wohnung mit ihrem Mann Tore (Johannes Krisch, wieder ein Österreicher als Partner) Anknüpfungs- oder Erinnerungspunkte eines früheren Lebens. „Bin ich klug?", fragt sie angesichts der Bücher, die sie mal geschrieben hat.

Die Freunde sind beim Versuch der Erinnerungsarbeit behilflich, doch die verläuft kläglich. Auf jeden Fall kann Lena damit gar nichts anfangen. Das ist bitter-komisch, wenn sie beim Besuch der dementen Mutter im Altersheim aufgrund einer Verwechslung einer anderen alten Frau rührend näher kommt. Die schwierige Gesamtsituation gewinnt an Pikanterie dadurch, dass die Fremde ganz ungehemmt allen aus ihrem Tagebuch vorliest. Nun bekommen auch Tores Erinnerungen einen schalen Beigeschmack.

Ebenso wie Gefühlsausdruck in Ton und Mimik muss sie moralische Verhaltensweisen neu erlernen und geht unbedarft mit einer Zufallsbekanntschaft (Ronald Zehrfeld) ins Bett. Dabei kopiert sie unwissentlich die männliche Geräusch-Rolle, was ganz gut zum Schnurrbart passt, den sie sich vorher spaßeshalber angeklebt hat. Gleichzeitig gibt es weitere Versuche der Neu(er)findung, Lena hat keine Höhenangst mehr und kann auf dem Kirmes unerklärlicherweise hervorragend schießen. Am heftigsten ist die Parodie allerdings, als Lena sich selbst kopiert und einen einst gefilmten Vortrag wieder aufsagt.

Wie schon in Jan Schomburgs Debüt „Über uns das All" (mit Sandra Hüller, die hier Lenas beste Freundin spielt) wird auch in „Vergiss mein Ich" durchgespielt, was einen Menschen ausmacht. Nicht nur diese ganz spezielle Situation ist faszinierend, auch wie Maria Schrader großartig verschiedene Schichten und Persönlichkeits-Entwürfe spielt.

Das ist bei allgemein kühler Betrachtung manchmal sogar herzzerreißend, wenn im Zwischenmenschlichen gar nichts mehr funktioniert, wenn die ehemalige Freundin, deren Seitensprung mit Lenas Mann gerade entdeckt wurde, völlig hilflos vor ihr steht. Das dies ausgerechnet einer Identitäts-Forscherin passiert ist, erweist sich als ein besonderer Hohn, wie es Tore auf den Punkt bringt: „Man ist immer irgendwer für irgendwen und außerdem gibt es so eine Scheiße wie das Ich gar nicht. Das hast du mir beigebracht." Am Ende bleibt beiden nur der reine körperliche Austausch als verlässliche Weise, sich zu „erkennen".