8.10.13

Sein letztes Rennen

BRD 2013 Regie: Kilian Riedhof mit Dieter Hallervorden, Heike Makatsch, Katrin Saß 110 Min. FSK: ab 6

Palim-Palim - für Ältere ist jetzt alles klar: Ein Film mit Dieter Hallervorden! Aber doch nicht ganz, denn der Komödiant kippt nicht Nonstop Nonsense oder eine Flasche Pommfrit ins Kino sondern einen unterhaltsames wie gelungenes Alterswerk über einen Ausbruch aus dem Altersheim.

Paul und Margot Averhoff (Dieter Hallervorden, Tatja Seibt) sind schon lange ein Paar, als ihre Schwindelanfälle beide in ein Altersheim bringen, das sich als reale Horrorvorstellung erweist. Scheinbar stumpfsinnige und unkontrollierte Mitbewohner wurden hier „abgestellt". Am schlimmsten ist für Paul Averhoff allerdings die verordnete hirnlose Routine, die Kindergarten-Mentalität in diesem „Totenheim". Beim Singen und beim Basteln von Kastanien-Männchen hat eigentlich nur der Streber und Blockwart der Gruppe Spaß. Aber Paul ist nicht irgendwer, er gewann 1956 in Sydney trotz eines scheinbar uneinholbaren Rückstandes die Goldmedaille im Marathon. Und in dieser ausweglosen Situation, an diesem Ort des Lebens-Endes fängt er noch mal von vorne an. Er läuft nicht weg, er bleibt und beginnt wieder zu laufen. Rennt Runde um Runde um das Seniorenheim. Ignoriert Blutblasen und Kreislaufzusammenbrüche. Findet Hoffnung im neuen Ziel. Dabei will er nicht nur den Berlin-Marathon schaffen, er will ihn gar gewinnen.

„Sein letztes Rennen", Hallervordens letzter - sprich: aktuellster - Film macht Spaß, ist aber kein Schenkelklopfer wie seine populärsten Kino-Hits. Wie vieles andere gelangen dem Kino- und TV-Regisseur Kilian Riedhof („Tatort", „Bloch") witzige Szenen, wenn er im Gottesdienst der völlig verquarksten Betreuerin als Erscheinung vor dem Fenster vorbei rennt. Schön auch das Unverständnis der einfältigen Abstellgleis-Bewohner bei der Frage „Wo wollte er denn hin?" Die allgemein gültige Antwort des Läufers lautet „Wer stehen bleibt, hat schon verloren!

Alte Turnschuhe mit nur zwei Streifen, Franzbranntwein für die Beine statt stilloser Kompressionskniestrümpfe, eine mechanische Stoppuhr von Hanhart statt iPod. Paul Averhoff kommt altmodisch daher, der Film erzählt flott und routiniert. Auch die berührende Geschichte einer liebevollen Ehe, die jetzt wieder eine Trainings-Gemeinschaft wird: Ihre Warnung „Aber das wird fürchterlich!" beantwortet er selig mit „So war es immer!" Mit seinem Laufen belebt Paul bald das ganze Altersheim, was der Priesterin nicht geheuer ist. Ein weiteres Duell beginnt, wer hier wen bekehrt. Sie ihn mit viel Verständnis und Küchenpsychologie einzufangen. Er steckt sie mit seiner guten Laune und Sportler-Weisheiten („Das ganze Leben ist ein Marathon") in die Tasche. Als die nur auf Effektivität achtende Heimleiterin Rita (klasse: Katrin Saß) ihm das Laufen im Anstalts-Park verbieten will, lacht er ungläubig: „Du kannst dem Fisch doch nicht das Schwimmen verbieten".

Paul ist ein Optimist, ein Kämpfer. Und wenn seine Frau sagt, sie hätten Schlimmeres erlebt, den Krieg und die Hungerwinter, dann glaubt man ihnen das. „Sein letztes Rennen" bringt eine sehr passende Besetzung an den Start, bis hin zum Pfleger Tobias (Frederick Lau). Heike Makatsch gibt die besorgte Tochter, die als Stewardess ohne Freund nicht viel Zeit für ihre Eltern hat. Hallervorden, der sich zuletzt („Das Kind") auch mal als dämonischer Päderast zeigte, spielt jetzt wieder eine „Paraderolle" als sympathischer Sonderling. Seine bekannte Stimme, das offene Gesicht, diesmal mit wehmütigem Blick, bleiben im leisen Spaß und im nicht aufdringlichen Ernst überzeugend. Anleihen zu „Einer flog übers Kuckucksnest" und der Altersheim-Episode in „Cloud Atlas" sind unübersehbar. Nur dass gerade die Laufszenen auf eine nahezu slapstickhafte Weise unrealistisch inszeniert wurden, ist schade. Trotzdem überzeugt „Sein letztes Rennen" als nachdenklicher Wohlfühlfilm für mehrere Generationen - Ausbruch, Solidaritätsszene und Happy End inklusive.