17.12.12

Die Köchin und der Präsident

Frankreich 2012 (Les Saveurs du Palais) Regie: Christian Vincent mit Catherine Frot, Jean d'Ormesson, Hippolyte Girardot 95 Min. FSK o.A.

Eines ist wichtig: Diesen Film auf keinen Fall hungrig sehen! Die kurze Koch-Episode einer eigenständigen Frau beim französischen Präsidenten verläuft zwar oberflächlich so undramatisch, wie es zu der freundlichen aber bestimmten Hortense Laborie (großartig: Catherine Frot) passt. Was sie allerdings mit einer Rückbesinnung auf ursprüngliche regionale Lebensmittel auf den Teller und vor der Kamera zaubert, ist zum Dahinschmelzen. Da können tausend TV-Köche nichts gegen anbraten.

Hortense ist eine eigentümliche Person, aber vor allem mit nichts zu erschüttern. Die Staatsaktionen, um sie aus der Provinz in den Elysee-Palast zu bekommen, samt Geschwindigkeitsüberschreitungen und Veränderung des Zugfahrplans, bestaunt sie nur leise. Das Angebot, den Präsidenten der Republik (Jean d'Ormesson) persönlich zu bekochen, lässt sie unbeeindruckt. Das ginge nicht, sie habe zuhause einen Onkel, um den sie sich kümmern müsse. Dass und wie schließlich alles mit einem enormen Aufwand doch geht, ist schon etwas albern, da sind wir ganz bei Hortense und ihrer Sicht der Dinge.

Während die Rückblende von solch kurioser Anstellung, die es bei Mitterand tatsächlich gab, erzählt, zeigt uns die Gegenwart Hortense als Köchin einer Forschungsstation in der Antarktis. Es ist ihr letzter Tag dort, ein Abschiedsmenu wird vorbereitet und eine australische Journalistin wüsste gerne, was es mit der Köchin und dem Präsidenten auf sich hat. Nicht viel könnte man - wieder oberflächlich - sagen: Der Staats-Chef will einfach den Geschmack der Dinge wieder entdecken. Einfache Dinge. Wie aus Großmutters Küche. So sehen wir den netten alten Mann, der lieber über Kochbücher seiner Kindheit redet, als dass er Politik macht. Überhaupt verbindet in diesem Film jeder Kindheitserinnerungen mit dem Essen, ist lebendiger Beleg für Proust und seinen Madeleine-Moment.

Nachdem Hortense die eingebildeten Macho-Köche des Palastes in ihre Schranken gewiesen, einen klugen Assistenten angelernt und sich mit den Lakaien-Bürokratie arrangiert hat, lebt sie sich paradiesisch aus: Für beste Zutaten werden private Beziehungen aktiviert. Ein Brot, dick mit Trüffelscheiben belegt, ist immer für den kleinen Hunger zwischendurch zu haben. Doch ein Kampf mit den etablierten Köchen ums Dessert eines durchkomponierten Menus, dazu ein Ermüdungsbruch schaffen selbst die Frau, die eigentlich mit beiden Füßen fest auf dem Boden steht.

Erst die Abschiedsfeier in der Antarktis zeigt, wie sehr dieser Mensch geschätzt und geliebt wird. Ein schönes Porträt einer Person, die sehr in sich selbst ruht. Von der Macht erfährt man hingegen wenig bis nichts: Da wohnt ein netter, älterer Herr im Elysee-Palast und wünscht sich nichts sehnlicher als lecker hausbacken zu essen. Nur ein Satz, im vertrauten Gespräch unten in der Küche geäußert, zeigt ein anderes Gesicht der Macht: Ihm würden andauernde Anfeindungen antreiben und Energie geben! Dabei kamen einige der nicht so netten Wahrheiten über Mitterand sogar erst später heraus. Vielleicht war es das, neben den Lakaien und Pfennigfuchsern, was Hortense vertrieben hat. Auf jeden Fall keine Affäre, so ein Film ist „Die Köchin und der Präsident" nicht. Auch keiner der üblichen Koch-Filme. Vor allem, wer von diesem ganzen Getue ums Kochen und vor allem von Koch-Shows Würgreiz bekommt, kann sich diesen schön stillen Film ansehen. Aber niemals hungrig!