13.10.12

Miss Bala

Mexiko 2011 (Miss Bala) Regie: Gerardo Naranjo mit Stephanie Sigman, Irene Azuela, Miguel Couturier, Gabriel Heads, Noe Hernandez, James Russo 113 Min.

Zwischen Action-Film, Sozial-Drama und Gewalt-Märchen siedelt der mexikanische Regisseur Gerardo Naranjo („Voy a explotar") den unglaublichen Trip der jungen Laura, die wie viele jungen Mädchen Schönheitskönigin werden will. Doch im Norden Mexikos beginnt für Laura auf eine Odyssee, die als Geschichte packt und dabei viel von der kriminellen Energie dieser Gesellschaft vermittelt.

Die 23-jährige Laura Guerrero (Stephanie Sigman) ist aufgeregt wie all diese Mädchen auf allen Kontinenten, die sich als Schönheitskönigin eine Abkürzung zum Glück oder vor allem zum Wohlstand erkaufen wollen. Laura lebt in ärmlichen Verhältnissen in Mexiko, was einiges der rasanten Ereignisse erklärt, die sie in einen Strudel der Gewalt einsaugen. Mit einer Freundin geht sie eher zögerlich zu einer Party von Polizisten, die kurz darauf Zielscheibe einer brutalen Gang wird. In einer unglaublich spannenden und atemberaubenden Szene überlebt Laura auf der Toilette nicht nur das Massaker, sie sieht sogar den Anführer unmaskiert. Doch auch der gefürchtete Gang-Leader Lino (Noe Hernández aus „Sin Nombre") erkannte das Mädchen, entführt sie später und benutzt sie - für kriminelle Hilfsdienste. Eine sexuelle Bedrohung schwingt bei dem martialischen Mann immer mit, doch erst einmal dient Lauras Aussehen nur als Fassade und Tarnung. Zuerst als Fahrerin bei einem Bombenanschlag, dann schließlich bei einem Attentat auf einen wichtigen Militär. Mit Luxuswagen, Flugzeugen, viel Geld und gewaltigen Waffenarsenalen zeigt sich um sie der Drogenschmuggel im ganz großen Stil.

Die Ereignisse überschlagen sich, die Gewalt nimmt in extremem Maße zu, Laura wächst an den lebensgefährlichen Situationen. Sie ist kein Dummchen, das nur gut aussehen will. Ihr Spiegel zuhause ist mit berühmten Frauen geschmückt, sie schützt ihre Familie und verfolgt weiter den Plan, „Miss Baja California" zu werden. Dabei ist sie längst Miss Bala (Fräulein Kugel) geworden, mit neuer Entschlossenheit gewinnt sie die absurde, selbstverständlich auch korrupte Kür. Ein doppelter Hohn angesichts der Gewalt eines Staates zwischen Drogenkartellen und ebenso krimineller Polizei.

Der Regisseur Gerardo Naranjo machte schon 2008 mit dem märchenhaft-realistischen Jugendfilm „Voy a explotar" („I'm Going to Explode", FIPRESCI-Preis in Thessaloniki) auf sich aufmerksam. Nun gelingt ihm das Kunststück, packende Action in einer sehr realistischen Umgebung zu erzählen. Ein wichtiges Element dabei ist Hauptdarstellerin Stephanie Sigman, der die Kamera ganz dicht folgt und die niemals in Richtung Action-Braut a la Lara Croft abdriftet. Bei unfassbaren Ereignissen, denen man gebannt folgt, sieht man bis zum bitteren Ende das einfache Mädchen - dann allerdings von der harten Schule des Lebens in einem deregulierten Staat völlig ernüchtert. Wer meint, dies sei unrealistisch, kann die Zahl der Filmtoten mit den fast 50.000 realen Toten relativieren, die Präsident Felipe Calderóns „Krieg" gegen die Drogenkartelle seit 2006 zum Opfer fielen.