20.5.12

Cannes 2012 The Hunt, Thomas Vinterberg

The Hunt, Thomas Vinterberg

Ein Kindergärtner soll sich vor einem kleinen Mädchen entblösst haben. Doch er ist unschuldig. Eindeutig. Mit dieser Prämisse nimmt Thomas Vinterbergs Film direkt eine nicht unproblematische Position ein. Doch genau darum geht es beim sympathischen Lucas (Mads Mikkelsen), dem geschiedenen Kindergärtner, der von Klara, der kleinen Tochter seines besten Freundes Theo, so gemocht wird, dass diese einen Vorwurf erfindet, den Grethe, die unfähige Leiterin des Kindergartens, gierig zu einem Vorwurf macht und überall verbreitet. Der passionierte Jäger Lucas wird zum Gejagten, in einer Massenhysterie gibt es plötzlich mehr Vorwürfe. Alle Kinder beschreiben den gleichen Keller bei Lucas zuhause, das Sofa, die Tapete. Nur - das alles existiert nicht, Lucas' Haus hat keinen Keller! Trotzdem schlagen Väter den Verdächtigen im Supermarkt zusammen, er darf seinen 15-jährigen Sohn nicht mehr sehen und alle Freunde wenden sich von ihm ab.

"Die Jagd" ist die andere Seite von "Festen", der Missbrauchs-Geschichte von Vinterberg, die 1998 so sensationell einschlug. Sowie die erste Zusammenarbeit der dänischen Stars Mads Mikkelsen und Vinterberg in dessen siebtem Film. Sie passt gut zu dem Lynchmob, der kürzlich einen vermeintlichen Kindermörder selbst aburteilen wollte in Deutschland! Die unfassbare Situation der Jagd" ist glaubhaft erzählt, meist: Irgendein Bekannter Grethes führt ein regelrechtes Verhör mit Klara, legt ihr die erwarteten Worte in den Mund. Da gibt es andere Methoden und irgendwie vermutet man so beschränktes Verhalten nicht in Skandinavien. Doch die Wahrheit hat danach ebenso wenig eine Chance wie das Mädchen, das bald sagt, es sei nichts passiert. Das Vertrackte an der Situation ist, das selbst bei offensichtlicher Unschuld ein Zweifel bleibt. Wie vertrackt sie ist, zeigt eine Szene am Ende, nachdem sich alles aufgeklärt hat und man wieder gemeinsam feiert. Ein Küchenboden mit exzessivem Linienmuster liegt zwischen Lucas und Klara. Verdammt viele Linien, die man nicht überschreiten darf", meint Lucas und es geht längst nicht mehr um das Tritt-auf-keine-Linie-Spiel, das beide auf dem Nachhauseweg hatten. Lucas, der in der Extremsituation lange einen vernünftigen, aufrechten Weg suchte, findet auch hier eine Lösung, nimmt das Kind in den Arm und trägt es zum Papa. Eine ganz einfache Handlung, atemberaubend aufgeladen.