28.6.11

Naokos Lächeln

Japan 2010 (Norwegian Wood) Regie: Tran Anh Hung mit Kenichi Matsuyama, Rinko Kikuchi, Kiko Mizuhara 133 Min. FSK ab 12

Ein Treffen zweier Kulturgiganten, dazu ein Evergreen der Popgeschichte: Tran Anh Hung, der Regisseur von „Der Duft der grünen Papaya", verfilmt einen Murakami-Roman, erstaunlicherweise erst der zweite Film nach diesem populären Japaner. Dazu gibt der Beatles-Song „Norwegian Wood" die knappe Grundidee und den Originaltitel. Die Fans der atmosphärisch extrem dichten wie poetischen Bildsprache des vietnamesischen Regisseurs werden auf jeden Fall auf ihre Kosten kommen.

Schon in die noch fröhlichen Bilder einer Freundschaft zu dritt schleicht sich ein kalter, blauer Farbton. Der Selbstmord des jungen Kizuki - im Buch zurückhaltender erzählt - wird bald zwei Menschen tragisch miteinander verbinden. Das Wiedersehen des Studenten Toru Watanabe (Kenichi Matsuyama) mit Kizukis Freundin Naoko (Rinko Kikuchi) entwickelt sich dann langsam über Spaziergänge zu einer neuen Beziehung. Sie sind noch keine 20 und wollen doch nie so alt werden. An Naokos Geburtstag schlafen sie miteinander, worauf sie am nächsten Tag verschwunden ist. Er führt sein Studentenleben mit schweren Jobs und einem seltsamen Mitbewohner weiter. Im Hintergrund laufen - nett kostümiert und ausgestattet - die End-Sechziger Studentenproteste gegen amerikanische Besatzer. Erst sieben Monate später kommt aus einer psychiatrischen Klinik in den Bergen ein langer Brief von Naoko. Watanabes Besuch verstärkt die depressive Stimmung dieser Beziehung. Doch er fühlt weiter eine Anziehung, vielleicht ist es nur Pflichtgefühl. In der Stadt spielt währenddessen die kecke, immer lächelnde, anderweitig gebundene Midori (Kiko Mizuhara) sexuell andeutungsvoll mit dem jungen Mann, den bereits eine schwierige Frau überfordert.

„Naoko Lächeln" ist kein fröhlicher Film, aber ein schön schwerer. Es fühlt sich an, als ob eine blaue Blume der Melancholie zwischen den Seiten des Drehbuchs getrocknet wurde. Das große Geschenk an betörenden und unterbewusst wirkenden Bildern nimmt einiges von der typischen mystischen Stimmung Murakamis, die bei diesem sehr frühen Roman sowieso nicht so ausgeprägt war. Es gibt keine Schafsmänner, sprechende Katzen oder mystische Brunnenböden. Durch die Kraft der Bilder und die Musik entsteht eine eigene Geschichte - eigentlich das Beste, was einer Literaturverfilmung passieren kann. Der knappe Text des Songs „Norwegian Wood" entspricht der Stimmung in der Klinik. Murakami legt in seinen Büchern immer einen Soundtrack aus. Der dieses Films ist weniger jazzig, ergänzt trotzdem den Augenschmaus mit sehr prägnantem Musikeinsatz, der an Godard und die Handlungszeit in Frankreich stattfindende Nouvelle Vague erinnert. Auch auf dieser Ebene bleiben Dissonanzen nicht aus. Die Seelenlandschaften des Protagonisten steigern sich zu einer expressiven Winterreisen-Bebilderung, zu zerklüfteten Felsen, in denen Watanabe seine Zerrissenheit im Schmerz vergräbt. Zu sagen, dass er zwischen zwei Frauen und zwei Lebensprinzipien steht, wäre eine grobe Verkürzung. Doch es gibt eine schwere, bleierne Beziehung und die lebendige, mit Midori.

In der Reihe von Verfilmungen toller Songs - „I want you", „Grand Torino" .... - ist „Norwegian Wood" nicht kongenial aber auf eigene Tran Anh Hung-Weise sehr schön.