31.8.09

Venedig 2009 Vorbericht


Mit 66 Jahren ist noch lange nicht Schluss! Bei den Internationalen Filmfestspielen Venedigs, dem ältesten Filmfestival der Welt, sind zur 66. Ausgabe (2. - 12. September 2009) die Tage der faschistischen Fassaden aus den 30er Jahren nun endlich gezählt. Bauarbeiten während der Festivaltage gemixt mit italienischem Organisationstalent werden für ähnliche Freude sorgen wie eine Autobahnkomplettrenovierung zur Ferienzeit. Dafür strotzt das Programm der alten Dame „Mostra“ im fünften Jahr unter der Leitung von Marco Müller nur so vor Energie und jugendlicher Frische. Während heute Abend Giuseppe Tornatore („Cinema Paradiso“) mit dem Eröffnungsfilm „Baarìa“ ein Heimspiel hat, ist ein erster Erfolg des Festivals, dass die einheimischen Künstler dem Ereignis am Lido nicht aus Protest gegen Berlusconi fernbleiben. Eine eindrucksvolle Startaufstellung deutscher Produktionen sorgte schon im Vorfeld für Aussehen.

Giuseppe Tornatore, der für „Cinema Paradiso“ einen Oscar bekam, kehrt für die autobiographische Komödie „Baarìa“ zum sizilianische Örtchen Bagheria zurück, in dem der Regisseur geboren wurde. Bei der Geschichte dreier Generationen von Dorfbewohnern spielt Monica Bellucci nach „Der Zauber von Malèna“ erneut die Hauptrolle in einem Tornatore-Film. Bemerkenswerter allerdings, dass mit „Baarìa“ nach zwei Jahrzehnten mal wieder ein italienischer Film das italienische Festival eröffnet!

Ein Sieger steht bereits fest, bevor der Wettbewerb um die Goldenen Löwen überhaupt begann: Der schon sensationelle Auflauf deutscher Produktionen im Wettbewerb und quer durch alle Nebensektionen stößt ein Nachdenken über den Stand der Dinge im deutschen Film (-geschäft) an. Am Freitag präsentiert Werner Herzog seinen „Bad Lieutenant“. Man fragt sich, weshalb nun noch dieses Remake des düsteren Abel Ferrara-Klassikers. Kinski kann ja nicht mehr die Rolle Keitels toppen. Doch wie sehr man Herzog in den USA vertraut, zeigt sein Cast mit Nicolas Cage, Eva Mendes, Val Kilmer und Michael Shannon. Als „Sondervorführung“ wird in der Sektion Orizzonte Herzogs „La Bohème“ gezeigt. Herzogs Herbst-Tournee wird übrigens im November in Thessaloniki fortgesetzt, wo eine große Retrospektive stattfindet.

Der neue Film des Hamburger Regisseurs Fatih Akin „Soul Kitchen“ feiert im Wettbewerb des diesjährigen Festivals seine Weltpremiere. Akin, der im vergangen Jahr die Karlsmedaille für Medien in Aachen erhielt, erzählt die Geschichte eines Restaurants im Hamburger Elbviertel Wilhelmsburg. Erfolgreich trotzt das “Soul Kitchen“ jedem Versuch einer Veränderung, während die Welt draußen mit den Folgen von rasanter Globalisierung und urbanem Wandel zu kämpfen hat.

Mit Spannung erwartet wird auch der Film „Wüstenblume“ von Sherry Hormann, in dem die Geschichte der UN-Sonderbotschafterin Waris Dirie erzählt wird: Ein junges afrikanisches Nomadenmädchen flüchtet vor einer Zwangsheirat nach London, wird dort für den Laufsteg entdeckt und startet eine Karriere als internationales Top-Model. Das somalische Topmodel Waris Dirie wurde in Kerkrade für ihren Kampf gegen Gewalt an Frauen mit der Martin Buber-Plakette ausgezeichnet. Die europäische Koproduktion „Wüstenblume“ entstand zur Hälfte in Nordrhein-Westfalen mit Unterstützung der Filmstiftung NRW. Insgesamt sind sechs geförderte Filme der Filmstiftung NRW im Programm des Festivals.

Nicht nur daneben werden auch George Lucas, der Lagunen-Dauerbrenner Georg Clooney, Charlotte Rampling, Matt Damon, Ewan McGregor von der frenetischen Fan-Menge über den Roten Teppich getragen werden. Venedig ist (ein-) rüstet für das 66. - hoffentlich machen die bröckelnden Gemäuer dies letzte Mal noch mit.