19.5.09

Schatten einer Leidenschaft in Cannes - der neue Almodovar

 

Cannes. Die Leidenschaften in Pedro Almodovars neuem Film „Los Abrazos Rotos" bleiben gemäßigt, doch die Begeisterung für ihn und seinen Star Penelope Cruz belebte gestern den Roten Teppich und sorgte für freundlichen Applaus in der Pressevorführungen. Almodovar war 1999 mit "Alles über meine Mutter" haushoher Favorit in Cannes. Doch dann gewann „Rosetta" von den Dardennes die Goldene Palme.

 

"Die gelösten Umarmungen" könnte man den Titel übersetzen, und Almodovar doppelt dieses Motiv gleich zweifach in einer Szene: In Rossellinis „Viaggio in Italia" - der im Fernsehen läuft - erschaudert Ingrid Bergman angesichts der versteinerten Umarmung eines Paares in Pompei. Vor dem Fernseher umarmt sich ein Paar heftig und fotografiert daraufhin die eigene Positur für die Ewigkeit. Die allerdings nur ein paar Wochen dauert, dann zerreißt jemand das Foto…

 

Die Geschichte des erblindeten Regisseurs Harry Caine, der sich früher Mateo Blanco nannte, erzählt  „Los Abrazos Rotos" in Rückblenden und Film-in-Film-Szenen. Es ist auch die Geschichte seiner Liebe zu Lena (Penelope Cruz), die mit dem reichen Industriellen Ernesto Martel zusammenlebt, der einst die Operation ihres Vaters finanzierte. Doch als Lena für eine Rolle bei Mateo vorspricht, bricht die Liebe zwischen beiden aus. Mit dramatischen Folgen für Lena und für den Film, den beide drehen.

 

Der sieht genau so aus, wie Almodovars erster Erfolg „Frauen am Rande des Nervenzusammenbruchs", der dramatische Treppensturz ist Hitchcock pur und eigentlich ist alles Film. Almodovar meint, dass viele seiner Filme in der Filmszene spielen, weil dieser Teil des Lebens das ganze Leben widerspiegelt. So geht es um Doppelungen, es geht um Film-im-Film, es geht um die große Kunst und um das ganz große Gefühl, das allerdings nicht überspringt im Kino. Das Rätsel um Mateos Leben und Liebe wird angenehm unterhaltsam entschlüsselt, aber die ganz großen Szenen bei all der Film- und Zitierkunst sind überschaubar: Der doppelte Abschied Lenas von Martel, einmal auf der Leinwand und dazu noch live eingesprochen. Und dann der stärkste Moment, die Hände des blinden Regisseurs, der die Aufnahme eines letzten Kusses auf dem Bildschirm zu berühren sucht. So hoffnungslos war die Sehnsucht selten in einem Bild.

 

Die Pressehefte von Almodovar sind immer besonders wertvolle Stücke in Filmläden und im Devotionalienhandel, weil der spanische Autor und Regisseur sie selbst schreibt. Diesmal erklärt er derart genau, was der Titel bedeutet, wie die Bilder des Vorspanns zustande kamen. Das ist nicht nur ein kultureller Unterschied zwischen dem extrem zurückgezogenen Dänen von Trier und dem extrovertierten schwulen Spanier Almodovar. Es ist auch ein gutes Bild für die Vielfalt des Film hier in Cannes.