14.5.09

Die Kamera als Reporter

Die Kamera als Reporter

 

Filmen unter Zensur - Beiträge aus China und dem Iran in Cannes

 

Nicht nur Reporter mit der Filmkamera profitieren von den neuen Möglichkeiten, kleiner, unauffälliger digitaler Kameras. Selbst im Wettbewerb von Cannes finden sich Filme, die mit klassischem Equipment nicht entstanden wären. Sie erzählen von einer jungen Band in Teheran und von schwulen Beziehungen in Nanking. „Camera Revolution" beschäftigt Künstler weltweit, von Peter Gabriel bis zum Dokumentaristen Bernd Mosblech aus Lontzen, der ausgerechnet unter der Militäraufsicht von Sri Lanka jungen Studenten im Goethe Institut die neuen Möglichkeiten vermittelte.

 

Zwei Jahre war der internationale gefeierte, iranische Regisseur Bahman Ghobadi („Zeit der trunkenen Pferde", „Turtle can fly") mit den Vorbereitungen für einen Kurzfilm beschäftigt, dann untersagten ihm die Behörden den Dreh. Eigentlich ein Berufsverbot, denn der Staat kontrolliert alle 35mm-Kameras. Doch dann besorgte sich Ghobadi eine digitale Kamera und begleitete damit unauffällig seine Protagonisten in Teheran. „No one knows about Persian cats" zeigt jetzt im als Eröffnung des Nebensektion Certain Regard in Cannes junge Musiker, die ohne Genehmigung eine Band aufmachen wollen.

 

Auch der chinesische Regisseur Lou Ye hat seine Erfahrungen mit der Zensur. „Weekend Lover", sein erster Film aus 1994 wurde verboten, die internationalen Festivalaufführungen waren begleitetet von heftigen chinesischen Protesten. „Summer Palace" lief 2006 in Cannes und handelte von den mörderisch nieder gemachten Protesten auf dem Tiananmen Platz in Peking. In Folge wurde Lou Ye mit fünf Jahren Berufsverbot belegt. Für „Spring Fever", seinen neuen Film, gab es zum Glück Geld aus Frankreich und Hongkong.

Mit einer digitalen Kamera und kleinem Team konnte Lou Ye meist abseits der Öffentlichkeit mitten in Nanking drehen, dabei den Protagonisten seiner Geschichte nahe kommen und Aufmerksamkeit vermeiden. Er zeigt einen Beziehungsreigen das mit einem schwulen Paar beginnt, ein Hetero-Paar fällt auseinander, es gibt einen Toten. Und das, obwohl es Schwule in China offiziell nicht gibt. So zeigt sich, dass digitales Filmen nicht nur neue ästhetische Räume erschließt, sondern auch politische Freiräume schaffen kann.

 



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Herzliche Grüße,
Günter H. Jekubzik
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