21.10.08

Nordwand


BRD, Österreich, Schweiz 2008 (Nordwand) Regie: Philipp Stölzl mit Benno Fürmann, Johanna Wokalek, Florian Lukas 126 Min. FSK: ab 12

Vor die Wand gefilmt

Dass ausgerechnet Leni Riefenstahl, die umstrittene Lieblingsfilmerin des Führers, sich als kecke Schauspielerin neben Luis Trenker in Bergfilmen von Altmeister Arnold Fanck tummelte, bevor ihr mit der eigenen Regie-, Schreib-, Schnitt-, Produktions- und Schauspielarbeit „Das Blaue Licht“ 1932 der große Sprung gelang, zeigt wie gefährlich nah dieses Genre am Völkischen gesiedelt ist. Die immer noch verbotene NSDAP-Auftragsarbeit „Triumph des Willens“,
die ästhetisch geniale Dokumentation vom Reichsparteitag 1934, folgte nur drei Jahre später. Der Bergfilm gehörte deshalb nicht unbedingt zum populärsten Filmgenre der letzten Jahrzehnte. Doch mit dem Extremismus der Bergsteigerei, mit dem Messnerismus und der Runderneuerung durch Free-Climbing waren schon Vorbeben eines neuen Bergfilms spürbar. Dass die Szene immer noch im Himalaya einen „deutschen Berg“ verortet, zeugt nebenbei ebenso von geographischer Verirrung, wie eine deutsche Grenze, die am Hindukusch verteidigt werden soll. Nicht national, aber bedenklich dämlich kommt er daher, der redlich spannende Historienfilm „Nordwand“ über noch so eine deutsch-nationale Heldentat im Berg.

Vom faschistischem Elite-Denken angefeuert, versuchen sich ein deutsches und ein österreichisches Duo 1936 an der Erstersteigung der Eiger-Nordwand – mit den erfrorenen Fingern, brechenden Knochen und Schneeleichen, die das Genre so mit sich bringt. Die heroische Hauptrolle spielt Benno Fürmann, nicht gerade ein Gigant der Schauspielerei. Während sein Liebchen (Johanna Wokalek) bangend wartet, überdehnt das Zweistunden-Drama den Handlungsfaden. Das Schneetreiben an der Filmstudio-Wand ist nur vordergründig hochspannend. Das kernige „Halt durch“ richtet sich auch ans Publikum, doch mit den Gliedmaßen stirbt das Interesse ab. Der zynische Sensationsreporter (Ulrich Tukur) schließ pathetisch: „Deutschland wird diese Männer nie vergessen!“ – ein Fluch, der sich mit dem Film „Nordwand“ von Philipp Stölzl („Baby“) leider erfüllt. Auch der „film-dienst“ stellt fest, dass dieser Film „Manneskraft und deutschen Heldenmut, Opferbereitschaft und Durchsetzungswillen“ feiert. Wie aufgesetzt wirken die warnenden Bemerkungen eines reichen Sensations-Touristen, den das nationalistische Wettrennen anwidert, aber doch brav seine einfältige Frau begleitet.

Aber nicht nur ideologisch ist dieser Bergunfall sehr bedenklich. Dass die Journalistin, die ihre Freunde nicht ohne eigenes Karrieredenken in den Berg treibt, am Ende nur als Liebchen bangen darf und psychologisch viel spannendere Schuldgefühle überhaupt nicht auftauchen, belegt die flache Struktur dieses vermeintlichen „Dramas“. Johanna Wokalek, die als RAF-Tusse Ensslin noch im „Baader-Meinhof-Komplex“ faszinierte, ist hier völlig unterfordert. Genau wie Anspruch und Verstand des Publikums.