22.5.17

Die Reste meines Lebens

BRD 2016 Regie: Jens Wischnewski mit Christoph Letkowski (Schimon May), Luise Heyer (Milena Nelko), Karoline Bär (Jella May), Ulrike Kriener 108 Min. FSK: ab 0

Wenn ein Debütfilm direkt ein ganz großer Film wird, muss man nicht gleich Orson Welles und „Citizen Kane" denken. Aber Jens Wischnewskis Langfilm-Erstling ist als Komödie über Tod, Trauer und einen verzweifelten Neuanfang mit tollen Darstellern unbedingt sehenswert!

Die Reste seines Lebens sammelte der junge Schimon schon als Kind ein: Mit dem Kassettenrekorder nimmt er die Geschichten seines kranken Opas auf. Daraus entstand sein Job als Tonkünstler und zufällig (?) die Begegnung mit seiner großen Liebe Jella (Karoline Bär) in San Francisco. Doch der Auftakt zum Film ist ein Niederschlag, bei dem man trotzdem dauernd lachen muss. Schimon May (Christoph Letkowski) ist eigentlich ein Glückpilz - zumindest in seiner eigenen positiven Sicht auf die Dinge und das Schicksal. So findet er auch zum Schlaganfall des Vaters und der dadurch notwendigen Rückkehr aus San Francisco etwas Positives. Dabei sinkt schon das Schiff mit dem Container, in dem „das ganze Leben" von Schimon und seiner schwangeren Frau drin war. Jella wollte eigentlich auch mit dem Schiff fahren. Das Lachen über diesen Schicksalsschlag bleibt Jella beim Essen im Hals stecken, kurz darauf ist sie tot.

Nun glaubt Schimon, dass gemäß der Lebensweisheiten seines Großvaters „alles Sinn macht". So wohl auch die Begegnung mit Milena (Luise Heyer) noch im Krankenhaus direkt nach dem Tod seiner Frau. Nach holprigem - und komödiantisch großartigem - Beginn dieser neuen Liebe zieht der Witwer sehr überhastet bei der schwangeren Single-Frau ein und macht ihr einen Heiratsantrag. Was selbstverständlich die nicht verarbeitete Trauer nicht überdecken kann. Der Versuch den Tod mit viel Optimismus zu überspielen, muss scheitern. Aber eine große Liebe überwindet auch dies.

„Die Reste meines Lebens" haben einerseits eine Leichtigkeit, die mit einer frischen Swing-Melodie zur Toiletten-Spülung gar nicht nur satirisch daherkommt. Dabei ist Schimon so extrem optimistisch, dass man auch zynisch kommentieren könnte, wie leicht er sein altes Leben und seine alte Liebe versenkt. Trotz komödiantischem Ton bleibt der Hohn unübersehbar, dass Schimon beim schnellen Ersatz für seine schwangere Frau mit der schwangeren Krankenhaus-Clownfrau eine Spezialistin für Trauer und Abschied findet.

Der Witz des Films liegt darin, dass Regisseur und Ko-Autor (mit Julia C. Kaiser) Jens Wischnewski die großen Gefühls-Geschichten der beiden Lieben von Schimon a-chronologisch erzählt. Wie im Kopf des Musikers existieren die Frauen parallel. Völlig entfremdet von der Realität, ist es fast schon horrend, wie er überzeugt ist, dass Milena ein Mädchen erwartet - tatsächlich wird es ein Junge. Dass dies eigentlich eine schauerliche Geschichte von verdrängter Trauer mit grausamen Folgen ist, korrespondiert in dem erlösenden Finale mit ganz anderen Genre-Elementen. Die unweigerlich rührende Liebesgeschichte ist in Komödie, (angedeutetem) Horror oder Melodram ein großartiger Film und glücksbringend auch für die Zuschauer.