27.9.16

Mit dem Herz durch die Wand

Frankreich 2015 (Un peu, beaucoup, aveuglement) Regie: Clovis Cornillac mit Mélanie Bernier, Clovis Cornillac, Lilou Fogli 91 Min. FSK: ab 6

Eine schüchterne Pianistin mit strengen Haaren und unpassender Brille zeiht in ein neues Pariser Appartement und findet sich bald gefangen in einer „architektonischen Anomalie" – durch die hohlen Wände hört man alles, aber die Wohnungen haben unterschiedliche Besitzer, die das alles nicht interessiert. Ihr Nachbar ist ein erfolgreicher Erfinder, der sich weigert, weiter Spiele für Smartphones zu entwickeln. Stattdessen bastelt er seit sieben Jahren an einem ziemlich komplexen Spiel und hat die Wohnung nicht mehr verlassen. Statt Arrangement gibt es zwischen beiden einen geräuschvollen Kleinkrieg bis zur Selbstverstümmelung. Die Kombination von Solistin und spinnertem Einzelgänger lässt viel Raum für zwischenmenschliche Konfrontation. Letztlich schafft das harmlose Geräusch des Metronoms ihn.

Das gemeinsame Arrangement führt zu ebenso originellen Lärmvermeidungs-Strategien bis er – als Sohn eines ehemaligen Konzertsaal-Hausmeisters - ihren Chopin als seelenlos bezeichnet und sie mit seinen Kommentaren zu einem orgastischen Aufblühen antreibt. Das ist mit Öffnen von Haaren und Bluse heftiger Slapstick. Doch das folgende Gespräch, Rücken an Rücken, Wand an Wand, ist pure Romantik, wie die turtelnden Tauben auf dem Fenstersims bestätigen. Fortan reden sie mit der Wand ... mit echten Menschen klappt es sowieso nicht so ganz. So entscheiden sich die beiden Sonderlinge, getrennt zusammen zu sein. Sie schieben die Betten näher zusammen und das Bild teilt sich für einen gemeinsamen Raum – mit Wand in der Mitte. Sie essen sogar gemeinsam, wobei auf seiner Seite alles perfekt gelingt, während sie alles anbrennen lässt. Überhaupt hat sie den albernen Part, während alle seine positiven Eigenschaften kaum ins Bild passen. Das mag daran liegen, dass Clovis Cornillac die romantische Komödie nicht nur (mit-) geschrieben und inszeniert hat, er spielt auch die männliche Hauptrolle. Das Zwei-Kamerspiel wird jedoch von beiden getrennt agierenden Schauspielern lustvoll gespielt.

Ein Abendessen zu viert mit den Freunden ist wieder ein komödiantischer Volltreffer, mit jedem weiteren Gespräch gewinnt aber die fixe Idee an Gewicht, das wirklich wichtige an einer Beziehung zu extrahieren. In der unumgänglichen Krise fällt die Trennung besonders schwer, weil man sowieso immer getrennt war. Das ist zwar schon fast konventionell, doch längst bangt und hofft man mit den Liebenden und Leidenden, die in ihrer Andersartigkeit so perfekt zusammen passen. Eine etwas andere, aber sehr sympathische und sehenswerte Sommer-Romanze des Kinos.