20.6.16

Ein ganzes halbes Jahr

USA 2016 (Me before you) Regie: Thea Sharrock mit Emilia Clarke, Sam Claflin, Janet McTeer, Charles Dance 106 Min. FSK: ab 12

„Pretty Woman" mit Rollstuhlfahrer aber ohne Prostitution, dazu ein Schuss „Bridget Jones" – „Ein ganzes halbes Jahr" bietet eine ziemlich bekannte Geschichte und bedient trotz aller möglicher Themen die Nachfrage an belanglos nette Schnulz-Geschichtchen.

Keine Witze über Äußerlichkeiten, aber wir sind beim Mainstream-Film, das ist pure Äußerlichkeit! Also springen einem bei „Ein ganzes halbes Jahr" wortwörtlich diese Augenbrauen von Emilia Clarke („Game of Thrones") dauernd in die Augen. Schwarz und breit wie die von Groucho Marx und als wären sie eine Verkörperung der Marx-Brothers, unentwegt und dramatisch auf und ab hüpfend. So viel zur auffälligsten Charaktereigenschaft von Louisa Clark (Emilia Clarke). Sie bedient liebenswert in einem liebenswerten Kaffee voller netter Leutchen bis zur freundlichen Entlassung. Die 26-Jährige, die noch wie kleines Schulmädchen herumläuft, bekommt nach langer Suche und ohne jede Erfahrung den Pflegejob, den schon viele vor ihr geschmissen haben. Denn der junge, querschnittsgelähmte Ex-Banker Will Traynor (Sam Claflin) ist vor allem verbittert. So trifft in typischer Nanni-Situation das naive Sensibelchen auf den bitteren Zyniker. Louisas schwer erträgliche Fröhlichkeit wird schnell geerdet, ihre kunterbunten Klamotten bleiben länger grell nervtötend.

Louisa grinst im Bridget Jones-Modus dümmlich und ist vor allem peinlich. So kann man Wills Abneigung gut verstehen, später sogar seinen Wunsch, dem allen ein Ende zu machen. Jetzt nicht wegen den neuen Pflegerin, sondern weil er sein schmerzreiches Leben unerträglich findet. Langsam, sehr langsam kommen Gespräche zwischen dem vorbestimmten Liebespaar in Gang. Sein Zynismus wird milder, bleibt aber zum Glück komisch.

Mit Wills selbstgewähltem Lebensende nach einem halben Jahr, das er seinen Eltern noch schenkt, ergibt sich kurz ein anderer Film als das abschreckende Versprechen des klebrigen Kitsch-Trailers. „Ein ganzes halbes Jahr" stellt tatsächlich einige Minuten Wills selbstbestimmtes Ende zur Diskussion - unter exotischem Sternenhimmel: Wer ist hier egoistisch? Der mit dem Sterbewunsch oder die Nahstehenden, die ihn für sich im Leben behalten wollen? Auch die Frage, wie man die letzten Tagen und Stunden mit dem zu Verscheidenden liebevoll aushält, wäre interessant. Doch das kommt nur in anderen Filmen vor, etwa im dänische „Silent Heart", im Schweizer „Und morgen Mittag bin ich tot" oder im israelischen „Am Ende ein Fest". Hier ist es praktisch, dass Louisa nur die Gesellschaftsdame geben muss, denn für alles irgendwie Realistische an der Arbeit mit einem Querschnittsgelähmten gibt es einen richtigen Pfleger.

Bei „Ein ganzes halbes Jahr" rettet der Todgeweihte das Naivchen aus der provinziellen Anspruchslosigkeit, Will lebt ein letztes Mal auf, indem er Louisa beim Leben zusieht. Wobei Mozart, Paris und Luxusressorts für Lebens-Qualität stehen müssen. Der Wandel vom Dummchen mit lustigem, farbenblinden Bekleidungs-Geschmack zum Menschen ist dabei schon alles, was sich entwickelt. Emanzipation kann man es nicht nennen, wenn Louisa nun brav den Reisevorschlägen eines gebildeten Menschen folgt.