24.1.16

The Hateful 8

USA 2015 (The Hateful Eight) Regie: Quentin Tarantino mit Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Jennifer Jason Leigh, Tim Roth, Michael Madsen 168 Min.

Quentin Tarantinos 8. Film ist wiederum beachtlich: Ein Western mit Musik von Ennio Morricone - was sonst bei diesem Fan des Spaghetti-Western und des Pulp? Eine leicht verschachtelte Geschichte - wie als Hommage an den eigenen ersten erfolgreichen Film "Pulp Fiction".

Aus den üblichen Weiten des Westens zwängt Tarantino seine sehr profilierten Protagonisten mit ihren skurrilen Vorgeschichten in eine eingeschneite Poststation-Situation, um dort ein brutales und blutiges Kammerspiel zu inszenieren. Wie immer in aberwitzigen und ausgedehnten Dialogen diskutieren die Kopfgeldjäger John „The Hangman" Ruth (Kurt Russell) und Major Marquis Warren (Samuel L. Jackson) über Vor- und Nachteile ihres Berufes. Ruth hat die Gefangene Daisy Domergue (Jennifer Jason Leigh) per Handschelle am Arm. Sie ist 10.000 Dollar wert, die drei tiefgefrorenen Leichen, auf denen Warren anfangs sitzt, zusammen 8.000. Doch in der kuscheligen Herberge warten weitere schillernde Gestalten, unter denen Ruth ein paar Komplizen seiner Beute vermutet. Michael Madsen („Reservoir Dogs", „Kill Bill") gibt den stillen Cowboy Joe Gage, Bruce Dern den Konföderierten-General Sandford Smithers und Tim Roth („Pulp Fiction") den Henker Oswaldo Mobray.

Hier blättert beim über fast drei Stunden unterhaltsamen Gemetzel erstmals der blutige Lack ab: Tim Roth, ein großartiger, sagenhafter Schauspieler, der immer wieder überraschen kann, fungiert hier in jedem Satz und jeder Geste nur als Ersatz für Christoph Waltz, der nach „Inglourious Basterds" und „Django Unchained" diesmal nicht mit Tarantino mitspielt. Eine irritierende Schande.

Recht selbstverliebt lässt sich Tarantino viel Zeit mit dem gegenseitigen Niedermetzeln seiner Figuren. Das ist meist ok, seine Darsteller laufen zu großer Form auf, die Bilder sind anständig. Samuel L. Jackson ficht wenige Jahre nach dem Bürgerkrieg noch einige Nachhut-Gefechte und persönliche Rache-Aktionen mit den Schwarzen-Hassern aus den Südstaaten aus. Tarantino schlägt sich wieder auf die Seite des schwarzen Helden, selbst wenn hier sehr oft Nigger gesagt wird.

Vor allem erzählt der überschätzte Regisseur in aller Breite von 70mm-Bild. Trashig wirkende Schärfenverlagerungen sind sicherlich wieder irgendwelche Referenzen an irgendwelche verkannte Meister der 70er-Jahre, doch bleiben sie trotzdem billig und nervig. Am Ende, wenn fast alle mäßig originell hingemetzelt wurden, wenn der Boden mehrlagig mit Blut besprüht ist, macht sie sich wieder bemerkbar, die große Leere hinter all den Kunststückchen und Mätzchen von Tarantino. Soll uns etwa das Schlussbild von „The Hateful 8" erzählen, dass die hässliche Fratze des Rassismus gegen die erfolgreiche Zusammenarbeit von Schwarz und Weiß verlieren muss? Ziemlich simpel wäre das, aber es ist ja auch ein Tarantino-Film!

Denn nach zwei Gewalt-Akten, „Django Unchained" und „Inglourious Basterds", die tatsächlich ein Thema hatten, muss man wieder feststellen, dass der Film-Nerd Quentin Tarantino zwar sehr viel zeigen kann, nämlich wie viel Tausende Filme er aus seinem Kopf heraus zitieren kann, aber zu sagen hat das große Spiel-Kind Hollywoods mit all seinen Möglichkeiten: Nichts. Was besonders erschreckend auffällt, wenn Tarantino in Interviews mehr als Scherze und Zitate abliefern soll. Dann kommt trotzig und unflätig das große Kind heraus. Vor allem, wenn man etwas Durchdachtes über die Gewalt in seinen Filmen hören will. Worauf er mittlerweile referieren kann, sind starke Frauen-Figuren und der Kampf um Gleichberechtigung für Afroamerikaner. Allerdings zeugen unpassende Begriffe wie "Holocaust der Native Americans" und "Holocaust der Afroamerikaner" von nicht besonders viel Diskurs-Erfahrung. „The Hateful 8", der sehr unterhaltsame 8. Film von Tarantino lässt vor allem hoffen, dass sein „8 1/2" mal etwas ganz anderes sein wird.