15.11.15

The Diary of a Teenage Girl

USA 2015 (The diary of a teenage girl) Regie: Marielle Heller mit Bel Powley, Kristen Wiig, Alexander Skarsgård, Madeleine Waters 102 Min.

Unmöglich oder revolutionär? Das sexuelle Coming Out einer 15-jährigen in San Franciscos Hippie Hoch-Zeit 1974 irritiert und begeistert. Auf jeden Fall gelungen ist die Umsetzung von Phoebe Gloeckners Buch „The Diary of a Teenage Girl", einem Roman mit Graphic-Novel-Einsprengseln.

„I had sex today" - die Begeisterung der 15-jährigen Minnie Goetze (Bel Powley) über ihren ersten Sex möchte man in der Zeitlupens-Schwebe des strahlenden Sonnenscheins gerne teilen. Toll, wie das unkonventionelle, intuitiv selbstsichere Mädchen ihr intimes Tagebuch in einen Kassetten-Rekorder spricht - im vollen Bus! Doch in der Rückblende stellt sich heraus, was selbst die sexuell aufgedonnerte Freundin „krank" findet: Minnie war mit dem fast 20 Jahre älteren Freund ihrer Mutter im Bett. Initiiert vom Mädchen, aber der unreife Monroe (Alexander Skarsgård) leistete keinen ernsthaften Widerstand. Schon vorher fasste er sie beim Kuscheln auf der Couch scheinbar zufällig an die Brust.

Das „Diary of a Teenage Girl" ist keiner der ungezwungenen aufgeklärten skandinavischen Jugendfilme, hat aber auch nichts mit verklemmten Lolita-Fantasien zu tun, mit denen zuletzt der französische „Vater meiner besten Freundin" anwiderte. Denn durch eine Phase des „Das geht ja gar nicht"-Gefühls beim Zusehen kommt Minnie selbständig, aufrecht und emotional gereift heraus. Nicht des Desinteresse der Mutter, die sich selber mit Kiffen und Koks auslebt, nicht das Ende der Affäre mit dem peinlichen Monroe schadet Minnie. Auch die „Nymphomaniac"-Verführungen fremder Typen mit der Freundin machen vor allem Spaß. Denn in dieser ungefährdeten Emanzipation bestraft Minnie gering geschätzte Männer mit ihrem selbstbestimmten Sex. Erst das Verlieben in eine lesbische Freundin führt zum Zusammenbruch.

Doch auch wenn vor allem das Sexuelle diskutiert werden wird, „The Diary of a Teenage Girl" ist Komödie, kein Drama, und das lustvoll inszenierte Coming out einer Comic-Künstlerin: Zusehends lösen sich Animationen aus dem Spielfilm und begleiten die Zeichnungen Minnies. Wenn eine füllige „50 feet woman" durch die Stadt trampelt, sind dies explizite Erwachsenen-Comics. Mit dem Charme der Crumb-Figuren, den irgendwie auch die Hauptdarstellerin Bel Powley hier herumträgt. Erstaunlich und sehr gut, denn an ihre Rolle als Schwester der jungen Queen Elizabeth aus „A Royal Night" erinnert Powley gar nicht mehr. Auch den Altersunterschied meistert die 23-jährige Schauspielerin großartig glaubhaft.