8.6.15

Rico, Oskar und das Herzgebreche

BRD 2015 Regie: Wolfgang Groos mit Anton Petzold, Juri Winkler, Karoline Herfurth, Katharina Thalbach, Henry Hübchen, Ronald Zehrfeld, Moritz Bleibtreu 95 Min. FSK: ab 0

Mut und Klugheit können es ganz schön weit bringen - wenn diese Eigenschaften auf zwei sehr eigene Jungs verteilt sind, reicht es damit sogar zur tollen Filmtrilogie. „Rico, Oskar und das Herzgebreche", der zweite Film nach einem Roman von Andreas Steinhöfel, ist auf jeden Fall wieder ein außergewöhnlich gut gelungener Spaß für Klein und Groß.

In der „Dieffe 93", einer Straße in Berlin-Kreuzberg, wartet der zehnjährige „tiefbegabte" Rico Doretti (Anton Petzold) sehnsüchtig auf seinen hochintelligenten und hochneurotischen Freund Oskar (Juri Winkler), mit dem er letztes Jahr in „Rico, Oskar und die Tieferschatten" einen Kindesentführer überführte. Wegen dem „Inkoknito" hat der ängstliche Oskar seinen Helm abgelegt und versteckt sich nun hinter einer altmodischen, also nun wieder hippen Sonnenbrille. Da sieht man auch die Tränen nicht, denn der Kleine hat sehr damit zu kämpfen, dass ihn sein Vater loswerden will. Bei Rico und seiner herzlich chaotischen Mutter Tanja Doretti (Karoline Herfurth) ist der Zeit-Waise eigentlich gut aufgehoben. Würde das clever Kerlchen nicht bemerken, dass Mama Doretti beim Bingo betrügt!

Das ist dann wieder eine Aufgabe für das Detektiv-Duo aus blitzgescheit und tiefbegabt. Es entdeckt, dass Mama von der böse Bingo-Tante (herrlich fies: Katharina Thalbach) erpresst wird, geklaute Schlangenledertaschen zu verkaufen. Dabei braucht der sympathisch langsam denkende Rico immer noch seinen Kassettenrekorder als Gedächtnisstütze. Und auch die wunderbaren Wortkreationen des Autors Andreas Steinhöfel begeistern aus seinem Mund weiterhin. Da meint der Kleine auf die Frage, ob Mamas Job in der Nachtbar Mausefalle „verrucht" sei: „Mamas Geruch ist ganz okay, den haben wir aus der Parfümerie." Dass Rico immer nur Pizza Meeresfrüchte aus Rache an den Fischen isst, die angeblich seinen Vater gefuttert haben, ist ein weiteres Beispiel für den netten Humor, der den Film so herzlich macht.

Anton Petzold erweist sich als sehr guter Schauspieler für diese Rolle. Außerdem ist „Rico, Oskar und das Herzgebreche" ganz außergewöhnlich grandios besetzt bei den Erwachsenen: Da legt Henry Hübchen eine halsbrecherische Verfolgungsjagd als nicht mehr ganz Führerschein tauglicher Herrn von Scherten hin. Moritz Bleibtreu entdeckt als schielender, stotternder Gangster-Depp tatsächlich noch mal eine neue Facette seines Ausdrucksvermögens. Annette Frier flippt als Pizza-Kellnerin aus. Milan Peschel ist wieder der seltsame Nachbar, der Steine züchtet. Er wird wohl im dritten Teil eine größere Rolle spielen. Ronald Zehrfeld ist sowieso auch im Kinderfilm ein Knaller, was nicht nur die verliebte Nachbarin Tanja Doretti meint. Wenn ihre Kollegin mit klassischem osteuropäische Zungenschlag grammatikalisch naseweis meint: „Wenn ich habe die falsche Artikel, geh ich umtauschen im Supermarkt", dann ist das einer der vielen klasse Einfälle, die es auch für Erwachsene gibt.

So braucht man nicht bis zum sehr happy Ende für ein bis zwei gebrochene Herzen zu warten, um zu erkennen, das hier sehr viel Gutes zusammen kommt. Die schnelle Fortsetzung des letztjährigen Erfolges wurde sichtlich nicht übers Knie gebrochen. Die Regie übernahm nach Neele Leana Vollmar diesmal mit Wolfgang Groos („Systemfehler - Wenn Inge tanzt", „Die Vampirschwestern", „Vorstadtkrokodile 3", „Hangtime") ein richtig Guter, der sich auch mal eine schwindelerregende Vertigo-Variante im Treppenhaus erlaubt. Zwischendurch gibt es immer wieder nette animierte Zeichnungen und auch Lehrreiches in einem kleinen Trickfilmchen wie bei Artes „Karambolage". Auch wenn „Rico, Oskar und das Herzgebreche" etwas weniger dicht und spannend als der erfolgreiche Vorgänger erscheint, ist dieser herzliche Kinder- und Erwachsenenspaß um Freundschaft, Liebe, Tierliebe und Verantwortung immer noch ein Glückfall des deutschen Kinos.