20.4.15

A Girl Walks Home Alone at Night

USA 2014 Regie: Ana Lily Amirpour mit Sheila Vand, Anash Marandi, Marshall Manesh 100 Min. FSK: ab 12

Frisches Blut für die Kopftuch-Diskussion: Bislang beherrscht von diffusen Ängsten, doch nach diesem sensationellen Film wissen wir, dass Vampire unter dem Tschador die coolste Versuchung seit langem sind. Die schwarz-weiße Verfilmung einer iranischen Graphic-Novel ist neuer Indie-Hit und äußerst vergnüglicher Spaziergang durch die Indie-Filmgeschichte.

Zwischen Ölfeldern und Massengräbern am Rande der Straße sitzt die iranische Wiedergeburt von James Dean im Ami-Schlitten. Arash (Anash Marandi), ein netter Kerl, dem der Drogendealer seines Vaters im Nacken sitzt, trifft in einer dieser Nächte auf eine Gestalt im dunklen Umhang und Kopftuch. Wir wissen mittlerweile schon, dass die junge Frau (Sheila Vand) einen ausgezeichneten Musikgeschmack besitzt und den Dealer Hossein (Marshall Manesh) leer gesaugt hat. Zwischendurch erschreckte sie einen kleinen Jungen mit ihren spitzen Beißerchen, um dessen Skateboard zu klauen. Die Liebe zwischen Arash und der Frau entwickelt sich vorsichtig, auch wenn der junge Mann noch keine Ahnung hat, wen er da anhimmelt. Im Licht einer Disco-Kugel kommen sie sich näher...

Großartig die nächtliche Begegnung, als Arash gerade nach einer Party im Vampir-Kostüm seine Traurigkeit ausführt. Herrlich, der affige, kunterbunt tätowierte und extrem selbstverliebte Dealer und der tödlich gelangweilte Blick der Vampirin auf ihn. Die Art des Beißens mit einer symbolischen Kastration und feministischer Penetration ist dabei so gar nicht Twilight-Stoff. Und dann wieder lustig, wie Arash ihr unwissend einen blutigen Hamburger zum Essen mitbringt. Dabei höchst faszinierend, dieses Gesicht im Tschador mit den großen dunklen Augen und Lippen.

Die berauschenden Schwarz-Weiß-Kompositionen erinnern an frühe Indie-Filme aus den 70er- und 80er-Jahre, etwa von Jarmusch. Die schweigsame Frau im Matrosen-Shirt könnte aus einem Hal Hartley-Film stammen, vielleicht Elina Löwensohn in „Simple Men" (die erst später als „Nadja" zur Vampirin wurde) oder gleich das Original, Jean Seberg in „Außer Atem". Dazu Techno-Klänge und Morricone-Melodien wie aus dem Western.

„A Girl Walks Home Alone at Night" ist trotz vieler Zitate und Stilverweise ein ganz eigenständiger Filmschatz, eine äußerst bemerkenswerte Entdeckung: Man erlebt ein Teheran - Bad City genannt - mit Musik, Feiern und Drogen. Trotzdem geriet dieses Debüt von Ana Lily Amirpour, einer in London geborenen Exil-Iranerin, nach ihrer eigenen, gleichnamigen Graphic Novel so ganz anders als das iranische Kunstkino der internationalen Festivalfamilie mit Panahi, Kiarostami oder den Mahmalbafs. Selbst anders als „Persepolis": Die in Frankreich lebenden Marjane Satrapi machte aus ihrer Graphic Novel ja eine Animation. Auf jeden Fall muss man sich Ana Lily Amirpour merken und selbst entdecken.