5.1.15

Die süße Gier - Il capitale umano

Italien, Frankreich 2013 (Il capitale umano) Regie: Paolo Virzì mit Valeria Bruni Tedeschi, Serena Ossola, Fabrizio Bentivoglio, Valeria Golino, Fabrizio Gifuni, Giovanni Anzaldo 110 Min. FSK: ab 12

Der Tod eines Radfahrers war schon in dem gleichnamigen spanischen Film von Juan Antonio Bardem aus dem Jahre 1955 Katalysator für eine gesellschaftskritische Demontage mächtiger und „besserer" Kreise. Nun ist das fast beiläufige in den Graben und ins Grab Fahren eines Kellners durch einen jungen Autofahrer Anlass für einen Reigen über menschliche Begierden und den Wert eines Lebens. Regisseur Paolo Virzì überträgt den us-amerikanischen Roman „Human Capital" („Der Sündenfall") von Stephen Amidon auf italienische Verhältnisse.

Der kleine Mailänder Immobilienhändler Dino Ossola (Fabrizio Bentivoglio) ist ein Clown, ein alberner Bückling, der das Verhältnis seiner Tochter Serena (Matilde Gioli) zu dem reichen Söhnchen Massimiliano Bernaschi (Guglielmo Pinelli) ausnutzen will, um an den vielversprechenden Spekulationen von dessen Familie teilzuhaben. Der gierige Dino lässt sich nur zu leicht reinlegen und 700.000 Euro abknöpfen, die er eigentlich gar nicht hat. Doch der aalglatte Giovanni Bernaschi (Fabrizio Gifuni) verspekuliert sich. Gleichzeitig wird ein Kellner nach einer Schulfeier von Serena und Massimiliano mit dessen lächerlich protzigem Jeep totgefahren.

Wir erleben diesen groben Ablauf der Ereignisse aus drei verschiedenen Perspektiven, die vom kleinen, gierigen Dino, von der reichen, frustrierten Gattin Carla Bernaschi (Valeria Bruni-Tedeschi) und schließlich die von Serena. Was „Die süße Gier" nicht nur lange mit der Frage nach dem Täter spannend hält, sondern auch inszenatorisch sehr reizvoll, wenn an den Knotenpunkten, die Handlung, die man bereits einmal gesehen hat, im Hintergrund verläuft.

Letztendlich geht es beim Bewerten und Staunen über die moralischen Entscheidungen Einzelner auch um die Frage, was ein Mensch wert ist, was ein Leben. In den Berechnungen von Versicherungs-Mathematikern lässt sich das tatsächlich auf Zahlen und Beträge runterbrechen und die abschließende Gleichung des Films ist schockierend bis obszön.

Doch dieser Film, mehr Gesellschafts-Analyse als Krimi, gibt nicht allen Figuren genügend Tiefe. Oder vielleicht können nicht alle Schauspieler mit dem Material ihre Figuren beleben. Am deutlichsten ist dies sichtbar bei Valeria Bruni Tedeschi in der Rolle einer devoten, dummen aber braven Ehefrau, die eher aus Langeweile ihre alte Theater-Leidenschaft mit kulturellem Mäzenatentum und einer Affäre verbindet. Doch Bruni Tedeschi - nebenbei auch eine ausgezeichnete Regisseurin - gibt diese reiche Betrüger-Gattin mit soviel Leiden, Verzweiflung und gleichzeitig auch Würde, dass hier niemand von einem Abziehbild oder Klischee redet. Dem jungen, sensiblen, in schwierigen und kriminellen Verhältnissen aufgewachsenen Luca Ambrosini, der wahren Liebe von Serena, kann der Schauspieler Giovanni Anzaldo dagegen nicht diese Glaubhaftigkeit geben. Also auch hier das Unrecht von arm und reich ... Begnadeten.