17.12.14

Neueröffnung Capitol Aachen

Zurück in die Zukunft

Heute zeigt das Capitol am Seilgraben erstmals wieder einen Film

Aachen. Viel Aufsehens will Leo Stürtz nicht um die Eröffnung des Capitols nach mehreren Monaten Komplett-Sanierung machen. Braucht er auch nicht, denn das im Stil seiner Entstehungszeit renovierte Kino spricht für sich selbst. Ein architektonisches Schmuckstück, eindeutig das schönste Kinos der Region. Mit einer ganz neuen Art, im historischen Gebäude Film zu sehen, für die Leo Stürtz pro Jahr mindestens 30.000 Zuschauer begeistern will.

Am Anfang ist Staunen: Aus dem schummerigen, nur mäßig gepflegten Capitol, das vor einem Jahr schloss, ist ein Augenschmaus geworden. Das Mint der 41 Designer-Sessel im Parkett korrespondiert mit der weit geschwungenen Bar, die so stilsicher vor der Leinwand steht, als sei es nie anders gewesen. Kleine Nierentische mit dimmbaren LED-Leuchten machen den Chic heimelig. Das neue Capitol ist ein Kino wie aus einer Design-Zeitschrift, nur in echt zum Reingehen, Wein bestellen und Genießen. Zum besonderen Genuss gehört im Konzept von Leo Stürtz reichlich Zeit vor und nach dem Film, zum Quatschen und Bewundern an der Bar. Denn es gibt nur eine Vorstellung pro Abend. Zum Auftakt läuft der Komödien-Hit „Monsieur Claude und seine Töchter", ab dem 25. Dezember dann Til Schweigers Alzheimer-Tragikomödie „Honig im Kopf" und „Die Entdeckung der Unendlichkeit", die Biografie über den Physiker Stephen Hawking.

Wenn man dann mit dem Vordenker und Bauherrn Leo Stürtz an dieser Bar erfährt, dass die Neigung der Rückenlehnen extra für diesen Saal und seine spezifische Leinwandhöhe in Italien gefertigt wurde, dass das Holz der filigranen Beine und der Umrandungen auf das Material des Bodens abgestimmt ist, merkt man, wie viel Arbeit und Liebe zum Detail diesem begeisternden ersten Eindruck zugrunde liegen. Dies in enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz, der in Kleinarbeit die Originalfarben des Gebäudes aus dem Jahr 1958 frei kratze. Dabei weiß der Kino-Kenner zu berichten, dass auch die 50er-Jahre unterschiedliche Stile zeigten. Das alte Gloria der Familie Stürtz in Alsdorf sei mit Samt und Stuck eher mondän gewesen, während der Aachener Architekt Fritz Eigelshofen mit dem schlicht und elegant entworfenen Capitol seiner Zeit voraus war. Stürtz gesteht, dass er selbst immer wieder die geniale Fassade mit dem leichten Vordach genießt.

Doch zum wirklichen Genießen hatte er bislang keine Zeit, noch ist die Aufgabe nicht vollbracht. Während des Gesprächs entdeckt Leo Stürtz eine kleine Unsauberkeit in der Maserung des Tisches und aus guter Erfahrung mit einigen Neueröffnungen plant er ein feierliches Event erst Ende Januar, wenn sich das Kino mit seinem komplett neuen Team eingespielt hat. Denn auch hier braucht der neue Ansatz neue Leute, die Erfahrung mit der Gastronomie haben. Statt Popcorn und Nachos soll es chic verpackte Süßigkeiten, guten Wein und viel Service geben. Wichtig ist dabei die Personalausstattung des neuen Kinokonzeptes: Bei sechs Mitarbeitern und nur 120 Plätzen kommt also minimal einer auf 20 Gäste, auch das einzigartig.

Die Kosten lagen in der branchen-üblichen Kalkulation mit 11.000 Euro pro Kinosessel sehr hoch. Eine Investition, die der Kinobetreiber übrigens alleine tragen muss. Denn die Filmverleiher wollen weiterhin ihren vertraglich vereinbarten Prozentsatz von jeder Kinokarte haben. Egal wie wunderbar oder wie schäbig das Kino auch sei. Wenn also der Eintritt im Capitol für 14 € beträgt, verdient der Filmverleiher kräftig mit, ohne etwas dafür getan zu haben. Der Einheitspreis gilt sowohl für die 41 echten Sessel im Parkett als auch für die 83 geräumigen Kinostühle mit beweglicher Rückenlehne auf dem Balkon. Leo Stürtz möchte so jedem etwas für seinen Geschmack geben.

Dem Publikum gibt er nun die Zeit, das repräsentative Gebäude, auf das die Stadt stolz sein kann, zu entdecken. Stürtz glaubt daran, dass eine kontinuierliche Steigerung am nachhaltigsten ist. Apropos nachhaltig: Wenn diese Herkules-Aufgabe, die ohne seine beiden Söhne nicht möglich gewesen wäre, bewältigt ist, will sich der Senior-Chef wieder verstärkt seinen Bemühungen um ein abfallfreies Kino zuwenden. Denn bisher hat er mehr Zeit auf der Baustelle als im Büro verbracht. Allerdings auf einer der schönsten Baustellen, die sich ein Cineast vorstellen kann.


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Leo Stürtz übernahm den väterlichen Kinobetrieb in Alsdorf mit den dortigen Traditionshäusern. Nach der mutigen Erweiterung mit dem architektonisch faszinierenden Cinetower übernahm er in Aachen vor zehn Jahren das Multiplex der Ufa und später auch den Eden-Palast. Da das Capitol andere Zuschauer ansprechen soll, erwartet Stürtz keine „Kannibalisierung" der bestehenden Kinos.

Capitol
Den Namen übernahm das Capitol am Seilgraben vom im Krieg zerstörten Capitol am Hochhaus Bahnhofsplatz (1930-1944). Die Fassade des 1958 eröffneten Neubaus wurde als eines der ersten Kinos aus den 50er Jahren unter Denkmalschutz gestellt. In seiner wechselvollen Geschichte gab es auch schon nach dem Abschied der Ufa aus Aachen eine Schließung. Danach betrieben die alteingessenen Programmkino-Macher Coenen und Render das Haus bis Ende 2013.