8.12.14

Blue Ruin

USA, Frankreich 2014 Regie: Jeremy Saulnier mit Macon Blair, Devin Ratray, Amy Hargreaves, Kevin Kolack 94 Min. FSK: ab 16

Rache ist süß. Oder: Revenge is a dish best served cold. So lauten die bekanntesten, „coolen" Sprüche, die sich um Rache ranken. Gerne von harten Kerlen in gnadenlos zahlreichen Rachefilmen hervorgeknurrt. Doch was Rache wirklich bedeutet, lässt der äußerst ungewöhnliche Anti-Rachefilm „Blue Ruin" erschütternd und spannend miterleben.

Dwight (Macon Blair) ist erst einmal ein Obdachloser, der im heruntergekommen Auto am Strand lebt. Der sehr rücksichtsvolle Umgang einer Polizistin mit ihm charakterisiert ihn mehr als das eigene Handeln. Ein sensibler Mensch, der besondere Beachtung verdient. Sie teilt dem bärtigen Herumtreiber in sicherer Umgebung mit, dass der Mann, der seine Eltern umgebracht hat, bald aus dem Gefängnis entlassen wird. Nun gesellt sich zu Dwights sehr weichem Gesicht wirr entschlossenes Handeln: Mit seinen bescheidenen Mitteln verfolgt er Carl Cleland nach der Entlassung und sticht ihn auf einer Toilette blutig nieder.

Dwights Angst mit dem Messer in der zitternden Hand, seine Dummheit, den Autoschlüssel am Tatort zu vergessen und dem einzig anderen Auto vorher selbst mit dem Mord-Messer die Luft rausgelassen zu haben - all das passt überhaupt nicht zu Rachefilmen. Hier agiert kein Held, hier macht ein Mann, der vom Tod seiner Eltern auch nach Jahren noch deutlich verstört ist, etwas, dessen Folgen er überhaupt nicht einschätzen kann. Denn erst bei seiner Schwester wird Dwight klar, dass die brutale Proleten-Familie der Clelands, die ein ganzes Waffenarsenal im Haus hat, selbstverständlich nun auf Rache sinnt, dass niemand mehr sicher ist.

Irgendwann steht sehr zu deutlich und lange das Schild „Einbahnstraße" im Bild und Dwight fährt genau in diese Richtung. Wie er das mit „Er hat meinen Eltern wehgetan" begründet, ist nicht die übliche abgebrühte Sprücheklopferei. Hier redet tatsächlich noch ein kleines, sehr verletztes Kind. Das im weiteren Verlauf, geschockt von einem zerfetzten Gesicht, von einem Freund gesagt bekommt „Das ist, was Kugeln machen..."

So ungeschickt und in vieler Hinsicht bemitleidenswert sich dieser eigentlich völlig harmlose aber sehr verzweifelte Mensch auch anstellt, spannend ist „Blue Ruin" auch, sogar sehr spannend. Sogar mal komisch, wenn man Dwights Handeln mit „richtigen" Actionfilmen vergleicht. Aber es bleibt so ganz ohne Zynismus berührend und erschreckend, einen echten Menschen in diesem Rache-Wahnsinn zu erleben. Denn umso gnadenloser, erbarmungsloser treibt er alle Beteiligten die Einbahnstraße hinunter. Zwar funktioniert und erzählt „Blue Ruin" im heutigen Amerika der nicht so reichen und freien ganz anders, aber es kann - wenn auch sicherlich nicht so beabsichtigt - als Hommage an Eastwoods Endwestern „Unforgiven" („Erbarmungslos") gesehen werden. Auch damals war Rache selbst für das Kino-Publikum kein Vergnügen mehr. Was beide hervorragenden Filme noch zu sehr wichtigen macht.