19.11.14

Die Legende der Prinzessin Kaguya

Japan 2014 (Kaguyahime No Monogatari) Regie: Isao Takahata 138 Min. FSK: ab 0

Mit einem überraschenden Kunstwerk bereichert das Animations-Studio Ghibli die Kino-Landschaft: Die liebevoll zart gestaltete Umsetzung eines japanischen Volksmärchens erzählt vom Kind, das ein Bambus-Sammler in einem Stamm findet. Kaguya ist ein frecher Wildfang, überrascht aber auch immer mit ganz erstaunlichen Fähigkeiten. Sie wächst rasant. Als der Bambus dem Mann mal Goldstücke, mal feine Tücher beschert, schicken sie ihre Ziehtochter in die Stadt. Der Gouvernante und Lehrerin im neuen Palast entflieht sie bei jeder Gelegenheit, doch ganz von selbst beherrscht sie das Koto-Spiel. Die Erziehung zur Prinzessin für die höhere Gesellschaft raubt fast komplett ihre Natürlichkeit. Bis hin zur schmerzhaften Entfernung der Augenbrauen und dem Schwarzmalen der Zähne. Denn eine Prinzessin soll doch nicht lachen. Dieses unglücks-reiche Leben im goldenen Käfig gewinnt bei der scheinbar einfachen Zeichnung die Kraft eines echten Dramas. „Die Legende der Prinzessin Kaguya" zeigt wieder einmal, dass Animation nicht gleichzeitig Kinderfilm bedeutet.

Der neueste Ghibli-Film ist eine große epische Nacherzählung einer mythischen Geschichte - oder eines Märchens, wie es Disney sagen würde. Doch im Gegensatz zu aktuellen Kinotrends kommt „Die Legende der Prinzessin Kaguya" nicht bombastisch daher. Ganz unüblich für das Studio Ghibli sind Zeichenstrich und Farben reduziert. Die Farbflächen zwischen den deutlichen Linien sind wie in einer Aquarell-Skizze nicht ganz vollständig ausgefüllt. Das wirkt auf den ersten Blick naiv, verbirgt aber gleichzeitig eine Kunstfertigkeit, die zunehmend fasziniert. Wie der Strich ist auch die Musik von Joe Hisaishi sehr reduziert, ganz selten erklingt eine Erinnerung an Arvo Pärt. Zudem wird die japanische Geschichte mit authentischem Stil präsentiert, so wie die „afrikanisch" gemalten Erlebnisse von „Kiriku".

Anfangs, in der Kindheit von Kaguya geht die Lieblichkeit der Zeichnungen einher mit putzigen Kinderfiguren, ganz ähnlich wie bei Miyazakis „Ponyo". Doch dies ist keine Kindergeschichte, denn das Leben der Prinzessin droht zum Melodram zu werden. Die märchenhafte Aufgabe an fünf Bewerber, ihr die schönfärberisch beschriebenen Schätze zu bringen, führt zu spaßigen Szenen, wenn sich die eitlen Reichen als schäbige Betrüger erweisen. Doch die Gefahr, die eigene Freiheit zu verlieren, ist Kaguya immer anzusehen.