7.10.14

Under the Skin (2013)

USA, Großbritannien 2013 Regie: Jonathan Glazer mit Scarlett Johansson, Jeremy McWilliams, Paul Brannigan 108 Min. FSK: ab 12

Film ist immer gerne Selbstreflektion und Erkenntnis. Allein schon beim für den Vorgang „Unterhaltungsfilm" notwendigen Wiedererkennen des Zuschauers in einer Identifikationsfigur. Der Blick jedoch, mit dem Scarlett Johansson in „Under the Skin" auf das schaut, was unter ihrer eigenen Haut steckt, ist atemberaubend einmalig. Wie der ganze Film von Jonathan Glazer, dem Regisseur vom britischen Gangster-Hit „Sexy Beast" und dem verstörenden Pädophilie-Film „Birth" mit Nicole Kidman.

„Under the Skin" geht unter die Haut, auch unter die Hirnhaut. Auf faszinierende Weise rätselhaft zeigt er, wie eine extrem regungs- und gefühlslose Frau (Scarlett Johansson) Jagd auf Männer macht. Aus einem Kleinlaster, der sie wie ein Raumschiff von der Außenwelt abschließt, beobachtet sie - und wir mit ihr - hauptsächlich Männer in schottischen Städten. Sollte einer unverheiratet und ohne Familie im Ort sein, sollte er dann noch einsteigen, fährt sie ihn zu wechselnden Haustüren, hinter der sich immer reines, glänzendes Schwarz auftut. Vor dem erhofften Akt versinken die voll erigierten Männer im schwarzen Nichts, über dem sie wie Jesus auf dem Catwalk elegant hinweg schreitet.

Ein in seiner atemberaubenden Andersartigkeit irritierendes Eindringen und Versinken. Und nur einer von vielen faszinierend rätselhaften Vorgängen. Das wirkt nicht nur im Sound wie bei Kubricks „2001" (ohne die Walzer-Sachen), wenn auch mit einer deutlich höheren Ladung Erotik. Beim Einsammeln der Männer erschlägt die fremdartige Frau einen fast Ertrunkenen am Strand. Die Familie, die nebenbei ertrinkt, interessiert sie nicht. Immer ist ein Helfer auf seinem Motorrad dabei, um nachher alle Spuren wegzuräumen. Ein junger Mann mit einem wie beim „Elefant Man" stark deformierten Gesicht bewegt in einer unglaublich spannenden Szene doch etwas in ihr. Sie lässt ihn laufen und flieht selbst ins grandiose Rot und Grün schottischer Moore und Küsten. Die Begegnungen mit einem liebevollen und dann einem brutal lüsternen Mann führen zu den letzten, schockenden Enthüllungen.

Nachdem Scarlett Johansson in Luc Bessons etwas simpler gestrickten „Lucy" von Mensch zum weltumfassenden Übermensch wurde, schlüpft sie nun als gefühlsloses Wesen allmählich in die Haut der Menschen. Wieder mal ist es ganz erstaunlich, wie viel Ausdruck die nicht nur von Woody Allen geschätzte Schauspielerin in ein regungsloses Blicken legen kann. Nach einem erstaunten Blick der nackten Erkenntnis in den Spiegel, wandelt sich der Ausdruck zum kindlichen Staunen, was einen irritierenden Gegensatz zum deutlich herausgestellten, sehr weiblichen Körper darstellt.

Regisseur und Koautor Jonathan Glazer liefert in seiner Filmversion des gleichnamigen Romans von Michel Faber keine Erklärungen, so gut wie keine Dialoge. (Und wenn, sind sie im Original wegen des heftigen Dialekts schwer verständlich.) Dafür gibt es in diesem einzigartigen Stück purem und unkonventionellem Kino reichlich ungewöhnliche Perspektiven und Kameraobjektive zur Dauerbegleitung von irritierenden Tönen, die nur durch ein Geigen-Leitmotiv wie aus einem Hitchcock-Film unterbrochen werden. Ein schwer erklärbares aber doch unbedingt sehens-wertes Kinoerlebnis.