8.9.14

Lügen und andere Wahrheiten

BRD 2013 Regie: Vanessa Jopp mit Meret Becker, Thomas Heinze, Florian David Fitz, Jeanette Hain 106 Min.

Irgendwann will der im Film und im Kino umschwärmte, sanfte, asketische Yoga-Lehrer Andi (Florian David Fitz), der auch schon mal jemanden auf der Straße brutal zusammenschlägt, aussteigen und nach Indien. Instinktiv greift man im Kino zu seinen Sachen, um mitzugehen. Denn zum Aussteigen bietet der neue Film von Vanessa Joop, an deren andere Filme man sich einfach nicht erinnern will, viele Gelegenheiten. Da wäre die Parade der hölzernen Klischees, angefangen bei Meret Beckers egozentrischer Zahnärztin Coco („Wir haben alle unsere Probleme"). Wenige Tage vor ihrer Hochzeit befallen Coco heftigste Zweifel am Verlobten Carlos (Thomas Heinze). Ohne dass sie ahnt, wie teuer der Polterabend-Besuch im Puff war und dass ihm der Spaß auch den Führerschein kostete. Falls jetzt „Hangover" anklingt, dies ist Anti-Hangover, im Umfeld von Coco gibt es keinen Spaß und keine Gnade. So fliegt die zugegeben verlogene russische Assistentin Vera (Alina Levshin) raus, die Nachbarin Cindy (Lilith Stangenberg) bringt sich unbemerkt fast um und die beste Freundin Patti (Jeanette Hain) überlebt den Sprung aus dem Fenster nur mit Glück.

Um das Übermaß voll zu machen, hat die Künstlerin Patti noch ein Verhältnis mit dem Yoga-Beau Andi, der wiederum von Vera erpresst wird, weil deren Familie in Russland vorgibt, eine dringende Operation zahlen zu müssen. Falls es jemand noch nicht kapiert hat, zwischendurch ist allen ganz arg kalt, damit man merkt, wie kalt unsere Gesellschaft sein soll. Der Kommentar eines Zuspätkommers im Kino, „Ist das Werbung?", trifft dabei exakt den oberflächlichen Stil des Films. Die tolle Meret Becker gefällt in braver, spießiger Rolle gar nicht, auch wenn so eine nüchtern herzlose Fassade erst mal hingelegt werden muss und sie trotzdem ein paar ihrer typischen Momente hat. Ganz einfach direkt, ohne großes Getue. Thomas Heinze ist sowieso nicht so der Hit. Jeanette Hain kann als verrückte und unbefriedigte Künstlerin, die eine Ausstellung mit lauter Vulvas, vulgo: Muschis, hinhängt, in ihrer mutigen Offenheit und Tragik gefallen. Dass der schlagende Yogi Andi noch vor den offenen und dann tatsächlich mal interessanten letzten Minuten mit einer gebrochenen Figur die Aufmerksamkeit wieder weckt, bleibt leider nur eine Randerscheinung in diesem bei dünnem Gestaltungsmut stark überfrachteten Emo-Drama (Buch: Stefan Schneider, Vanessa Jopp), das problemlos montags im ZDF versendet werden könnte.