14.7.14

Wie der Wind sich hebt

Japan 2013 (Kaze tachinu / The wind rises) Regie: Hayao Miyazaki 126 Min.

„Wie der Wind sich hebt" erzählt vom Leben und den Träumen des Flugzeug-Ingenieures Jiro Horikoshi: Der kurzsichtige Japaner träumt vom Fliegen und trifft in seinen fantastischen nächtlichen Visionen immer wieder den italienischen Ingenieur Caproni. Dieser rät ihm denn auch, nicht selber zu fliegen, sondern Flugzeuge zu entwerfen. So beginnt Jiro in den Zwanziger Jahren mit seiner Karriere bei einem großen japanischen Ingenieursbüro und begeistert schnell Chefs wie Mitarbeiter mit revolutionären Ideen und innovativen Designs. Von Reisen vor allem zur legendären Junkers-Fabrik nach Deutschland bringt er in den Dreißigern Einsichten mit, die Japans Luftfahrt vorantreiben. Er ist ein Columbus des Flugzeugbaus mit seinem Rechenschieber, den er 1923 beim verheerenden Erdbeben von Kanto auch als Schiene für ein gebrochenes Bein nutzt. Dabei lernt er zufällig auch seine Liebe Nahoko kennen. Ein große, tragische Liebe, denn die meist ferne Geliebte leidet an Tuberkulose.

Hayao Miyazaki ist bereits zu Lebzeiten eine Legende: 1985 gründete er das japanische Zeichentrickstudio Ghibli, das eine Marke für hochwertige und sehenswerte Animation werden sollte. Miyazaki selbst erhielt viele Auszeichnungen für seine magischen aber auch für Frieden und eine heile Umwelt kämpfenden Filme: Unter anderem einen Oscar und den Goldenen Bären für „Chihiros Reise ins Zauberland" sowie den Goldenen Löwen für „Das wandelnde Schloss". Wie großartig und tief menschlich seine Filme sind, zeigte die Pressevorführung zu „Ponyo" bei den Filmfestspielen von Venedig: Rund Mitternacht rührte der anscheinend nur süße Kleinkinderfilm die hartgesottensten und meist zynischen Kritiker. „Wie der Wind sich hebt" soll nun der letzte Film des 1941 in Tokio geborenen Meisterregisseurs sein. Es ist auf jeden Fall sein „erwachsenster". Und war der erfolgreichste Film 2013 in Japan.

Die an Persönlichkeit ebenso wie an historischen Details reiche Zeichentrick-Geschichte spielt in einer schon verlorenen Vorkriegszeit, denn Japan hat bereits die Mandschurei überfallen. Dass Jiros in euphorischen Höhenflügen gefeierte Entwicklungen nur dem Militär dienen, wird in einem Film von Hayao Miyazaki selbstverständlich pazifistisch gebrochen. Nur ein Freund Jiros vertritt die naive Ansicht, man wolle allein die besten Flugzeuge bauen, nicht Krieg führen.

Miyazaki melancholische Lebensgeschichte eines anderen großen Träumers platzt fast voller Leidenschaft für das Fliegen, die schon früher immer wieder in fantastischen Film-Objekten und -Wesen erschien („Das Schloss im Himmel"). Vor allem in den verrückten Flugzeugen von Jiros Träumen um den italienischen Flugpionier Caproni blitzen immer wieder Andeutungen von magisch belebten Wesen auf, welche die früheren, „unrealistischeren" Filme bevölkerten. Und auch der deutsche Fremde in einer Zauberberg-Sequenz (mit herrlichem „Das gibt's nur einmal" in Original-Deutsch mit japanischem Akzent) könnte einer dieser Zauberer in Menschengestalt sein, so wie der Vorgesetzte Kurokawa ein kleiner, immer grimmig blickender Gnom.

So ist „Wie der Wind sich hebt" sehr reif in der tragischen, vom großen und großartigen Score unterstützten Liebesgeschichte, dabei gleichzeitig immer wieder kindlich verspielt. Wobei die hohe Kunst Miyazakis auch hier auf allen Ebenen zu genießen ist. Wenn „Wie der Wind sich hebt" tatsächlich als letzter Film von Miyazaki eine Art Vermächtnis ist, lädt er zum Wiedersehen und neu Verstehen des ganzen Werkes einer der fantastischsten Zeichentrick-Künstler unserer Zeit ein.