11.5.14

Watermark

Kanada, 2013 Regie: Jennifer Baichwal, Edward Burtynsky 92 Min.

Wie Dokumentation die Weltsicht und den Gefühlshaushalt gleichzeitig erweitern kann, belegt „Watermark" als erquickend positives Beispiel. Der Pressetext fasst noch zusammen: „Wasser ist Grundlage jeden Lebens und hat seit jeher eine starke Anziehungskraft auf den Menschen. Es ist wichtiger Bestandteil unserer Ernährung, Lebensraum für viele Tiere, dient als Energieerzeuger und ist nicht zuletzt Sehnsuchtsort vieler Menschen." Der Film „Watermark" selbst erzählt in seinen Geschichten aus 10 Ländern rund um den Globus in einzigartigen Bildfolgen ohne zu belehren.

Indische Stufenbrunnen, aufgebaut wie umgekehrte Pyramiden, um Grundwasserschwankungen durch den Monsun auszugleichen, unheimlich tief und doch ausgetrocknet. in Los Angeles die Geschichte des legendären Aquädukts von Ingenieur Mulholland (die Sache, bei der in Polanskis „Chinatown" Nicholson die Nase dran hatte). Die Wasserversorgung der Metropole hatte weit entfernt in den Bergen die katastrophale Folge eines ausgetrockneten Sees mit unglaublicher Staubbelastung, der nun wieder mit Milliarden-Kosten künstlich von Wasser besprüht wird. Oder die Jahrtausende alten Reisfeld-Terrassen, die ein junger „Wasserwächter" mit Handy kontrolliert. „Watermark", dieser Bildfluss des Wassers ist voller Leben, wie Wasser Leben ist. Und da dieses Leben ein langer Fluss ist, erlaubt sich der Film auch mal eine meditativ lange Fluss-Fahrt.

„Watermark" macht auch im Bild ohne jeglichen Kommentar eindrucksvoll den Gigantismus chinesischer Staudamm-Projekte klar, wenn verschwindet kleine Arbeiterinnen lächerlich erscheinende Arbeiten manuell erledigen. Das erfolgt mit der ästhetischen Handschrift des Fotografen und Ko-Regisseurs Edward Burtynsky immer wieder mit Top Shots und andere Vogelperspektiven. In einer typischen Szene sieht man erst den Arbeiter vor massiver Betonwand. Nachdem die Kamera ohne Schnitt abhebt und das Ausmaß der Stau-Mauer zeigt, schrumpft der verschwindend kleine Mensch. Der wirklich faszinierende Film erreicht in der Abstrahierung durch großen Abstand zeitweise fast die gleiche Verfremdung vom Wirken des Menschen in der Natur wie Godfrey Reggios „Koyaanisqatsi - Prophezeiung" (1982).

Im Gesamtblick ergibt sich ohne Indoktrination doch Wissenswertes über Wasser, seine Verwendung und Verschwendung auf der ganzen Welt. Der Schnitt legt spannende Verbindungen von der Erforschung ewig alter Eisschichten zu den Wasserfontänen in Las Vegas. Dabei immer wieder spektakuläre Momente, wie die Schlammreinigung an einem chinesischen Staudamm und Bauarbeiten an einem anderen, die wie ein Science Fiction wirken. Wasser als Rahmen für schwimmende Fischerdörfer (mit sinkendem Ertrag) und Medium für religiöse Rituale in Indien oder sportlichen Kult bei Surf-Meisterschaften. „Watermark" beschreibt so, dass man sich seine eigenen Gedanken machen kann. Störend ist hier nur die Eigenwerbung des Fotografen Edward Burtynsky, der bei Erstellung eines neuen Bildbandes gezeigt wird.