25.3.14

Her

USA 2013 Regie: Spike Jonze mit Joaquin Phoenix, Amy Adams, Rooney Mara, Olivia Wilde 126 Min.

Früher schauten sich Verliebte so intensiv an und vergaßen die Welt um sich herum. Heute starren in Bussen und Cafés Menschen auf kleine und große Bildschirme, wirken aufgesaugt und versunken. Sind sie verliebt in ihre elektronischen Spielzeuge? Der geniale Regisseur und Autor Spike Jonze („Wo die wilden Kerle wohnen" 2009, „Adaption" 2002, „Being John Malkovich" 1999) verfilmt diese außergewöhnliche Beziehung als zarten Liebesroman unserer Zeit und als ebenso ironische wie sentimentale Reflexion.

Theodore (Joaquin Phoenix) ist ein einfühlsamer Spezialist für scheinbar handgeschriebene Liebesbriefe anderer Menschen. In einsamen Nächten hat der nerdige Typ sehr bizarren virtuellen Sex. Bis sich das erste künstlich intelligente Betriebssystem bei ihm installiert. Nach zwei, drei Fragen - eine der ersten bezieht sich freudianisch auf das Verhältnis des Nutzers zu seiner Mutter - weiß Samantha, wie sie sich nennt, mehr über ihn als irgendein anderer Mensch. Kein Wunder, sie hat in Sekundenbruchteilen Tausende Emails gelesen und sortiert, alle Kontakte begutachtet, Fotos gescannt und sogar vergessene Wünsche entdeckt. Das nächste Blind Date mit einer echten Frau verläuft zuerst toll und dann beschissen, nicht nur weil Theodore noch an seiner Ehemaligen hängt. Beim virtuellen Sex mit Samantha hingegen entdeckt diese eine Vorstufe ihres Gefühlslebens und es tauchen die alten Blade Runner-Fragen auf: Was ist wahr, sind meine Gefühle echt?

Das stört Theodore jedoch nicht, er ist glücklich mit seiner neuen Freundin. Wie immer mehr Leute in seiner Umgebung: Viele haben nun Beziehungen mit ihrem OS, ihrem Operating System, dem Betriebssystem. Dabei ist der Computer nur noch ein handlicher Knopf im Ohr, der Bildschirm ist niedlich geschrumpft, so dass er wirklich in jede Tasche passt. Dafür lässt sich das Bild überall hin projizieren, Video-Spiele laufen als große Holographie im gesamten Raum ab. So witzig diese perfekt designte, in jeder Form gemäßigte Zukunftswelt (gedreht in Los Angeles und Shanghai) mit ihren hohen Hosenbünden und den Pastellfarben daherkommt, „Her" schafft es, noch bevor einen die unheimlich treffende Widerspiegelung unseres digitalen (Beziehungs-) Lebens umhaut, mit einer zarten, intimen Liebe zu faszinieren. Der sonstige „Badboy" Joaquin Phoenix („The Master", „Walk the Line", „Gladiator"), der mit Schnurrbart und Hornbrille sehr langweilig aussieht, flirtet, philosophiert, reist, scherzt, spielt, lebt und liebt im Dialog mit seiner neuen Freundin. Die wird im Original von Scarlett Johansson äußerst einfühlsam und sexy gesprochen. Wie irgendwann auch hier Eifersucht und Trennung hinzukommen, muss man selbst erleben - Spike Jonze erhielt für sein Originaldrehbuch zu Recht einen Oscar. Nur die Tatsache, dass Samantha gleichzeitig das Betriebssystem von 8316 weiteren Nutzern ist und dass davon 641 in sie verliebt sind, sei als mal echter Grund für Eifersucht erwähnt.

So wie Theodores Büro als zarter Ausstattungstraum im Gegensatz zu den im Wortsinn schrägen Räumen von „Being John Malkovich" stehen, ist auch die Skurrilität von „Her" ein sanfte geworden. Die eingeblendeten Erinnerungen an frühere Beziehungen sehen aus wie die in „Vergiss mein nicht!" („Eternal sunshine of the spotless mind", 2004) von den ehemaligen Jonze-Mitarbeitern Michel Gondry und Charlie Kaufman. Sie haben aber auch etwas von dem verflochtenen Strom aus Bildern und Gefühlen, die Terrence Malick erzeugt: Bilder nicht von der pur handlungsbegleitenden Art. Staubteilchen in der Luft, wirbelnde Schneeflocken, wenn Samantha von ihrer Befindlichkeit erzählt.

„Her" ist ein naher Science Fiction und gleichzeitig das Drama eines Menschen, der sich vor der Herausforderung einer echten Beziehung drückt. Bei dieser berührenden Geschichte kommt man nicht drumrum, über den Zustand unserer Gesellschaft nachzudenken, über die Vereinzelung der Menschen, die alle an ihren Smartphones kleben. Diese Verfilmung von Siri (mit der übrigens auch dieser Text „geschrieben" wurde), ist witzig, geistreich und gefühlvoll, ein emotional und intellektuell bereichernder Film-Flirt, aus dem eine verzehrende Langzeitbeziehung werden könnte, wenn wir die Köpfe nicht wieder von den Maschinchen zurück zu den Menschen wenden.