30.12.13

Das erstaunliche Leben des Walter Mitty

USA 2013 (The Secret Life of Walter Mitty) Regie: Ben Stiller mit Ben Stiller, Shirley MacLaine, Kristen Wiig, Sean Penn 111 Min. FSK: ab 6

Wie oft haben Sie dieser Woche schon gedacht „Hätte ich doch direkt dies und jenes gesagt?" Walter Mitty (Ben Stiller) ist quasi der Steven Spielberg des „Hätte ich...": Ein grauer, ordentlicher und trister Typ, dessen Blouson ebenso aus der Zeit gefallen ist, wie die Alu-Aktentasche. Das wirklich aufregende Leben taucht immer nur in seinen Tagträumen auf, dann schleudert er auch Leuten ins Gesicht, was er eigentlich sagen will. Dann liefert er sich in seiner ausgeflippten Fantasie mit Gegnern extreme Action-Einlagen in den Straßen New Yorks. Doch in der Realität wird er während dieser extrem peinlichen Aussetzer von den meisten Menschen veralbert. Besonders von diesem zynischen Typen mit Bart (Adam Scott), der die berühmte Redaktion des US-Magazins Life auflösen und mit viel weniger Angestellten als Online-Ausgabe weiterführen soll. Dabei aber nicht weiß, was Quintessenz oder ein Silberbad sind.

Walter Mitty arbeitet beim Life-Magazin im Negativ-Archiv - kann eine Tätigkeit in Zeiten digitaler Fotografie noch veralteter sein? Sean O'Connell (Sean Penn), der berühmte, unfassbare Fotograf mit Hemingway-Stil schätzt gerade das an seinem langjährigen Kontaktmann bei der Zeitschrift. Nun findet Mitty ausgerecht das eine, das nach eigener Aussage beste Foto von Sean nicht, welches bei der letzten Ausgabe auf den Titel soll. Die Suche nach dem verschwundenen Negativ bringt den zurückgezogenen Mann, dessen Rucksack und Reisetagebuch seit Jugendtagen ungenutzt in einer Umzugskiste schlummern, erst nach Grönland, dann nach Island, Afghanistan und in den Himalaya. Hilfreich bei der detektivischen Schnitzeljagd sind ihm dabei die anderen Negative von Seans Filmrolle, die nicht mehr als ein verschwommenes Schiff oder einen Daumen zeigen.

Ähnlich wie der „Accidental Tourist" William Hurt aus dem Jahr 1986, nur nicht so weinerlich, bricht „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty" die Trennung zwischen Traum-Reisen und grauer Realität auf. Kaum zu glauben, aber früher war Walter ein ganz Wilder. Mit Irokese, den ihm der Vater selbst schnitt, und auf dem Skateboard. Doch der frühe Tod des Vaters und die Finanzierung von Mutter (Shirley MacLaine) und Schwester zwangen ihn in den Job, den er nach 16 Jahren immer noch ausübt. Heimlich himmelt er nun seine Kollegin Cheryl (Kristen Wiig) an. Als er beim Internet-Dating sein Profil ergänzen soll, wird erschreckend klar: Er war noch nirgend, hat noch nichts Besonderes gemacht. Während das virtuelle Dating jedoch überhaupt nicht klappt, lernen sich die beiden bei der Negativ-Suche ganz nebenbei kennen.

Die Kurzgeschichte „Walter Mittys Geheimleben" von James Thurber wurde bereits 1947 als „Das Doppelleben des Herrn Mitty" mit Komiker Danny Kaye als Walter Mitty verfilmt. Als weitere Referenz ließ Regisseur Ben Stiller einen riesigen Life-Titel mit dem unvergleichlichen Komödianten Peter Sellers in die Gänge hängen. Das hängt für den Darsteller Stiller die Latte ganz schön hoch, der mit einem munteren Mix aus absurden und tiefgründigen Filmen ein Großer des Genres ist.
Ihm gelingen die dezent eingestreuten Slapstick-Szenen, wenn er als anscheinender Schreibtisch-Langweiler hinter dem Rücken von Cheryl ihrem Sohn super coole Skateboard-Tricks beibringt, ebenso wie die gefühlvollen Momente. Kurz: Ben Stiller glaubt man die Auferstehung des verschütteten Abenteurers. Das ist Grundlage für den großen Spaß den sich die Inszenierung aus der übersichtlichen und nicht wahnsinnig überraschenden Geschichte macht.

Wenn Cheryl ihn in seinem letzten Tagtraum mit Gitarre und Bowies „Space Oddity" bewegt, in einen Hubschrauber mit besoffenem Piloten zu springen und später von da ins eisige Nordmeer, dann geht es unübersehbar um den Mut, ins Unbekannte aufzubrechen. Mit dem nicht nur sinnbildlichen Sprung ins kalte Wasser und einem Besuch beim Vulkan Eyjafjallajökull exakt zum Moment seines Ausbruchs. Dann wird Walter mit einem Longboard eine 15 Kilometer-Abfahrt durch Islands Vulkanlandschaft erleben, ein Hochgefühl beim Zuschauen.