26.8.13

The Look of Love

Großbritannien 2012 (The Look of Love) Regie: Michael Winterbottom, mit Steve Coogan, Anna Friel, Imogen Poots, Tamsin Egerton 99 Min.

Der geniale Viel-Filmer Michael Winterbottom lässt in „The Look of Love" mit seinem Lieblingsdarsteller und flottem Zeitkolorit die sagenhafte Karriere des legendäre Nachtclub- und Magazin-Besitzers Paul Raymond aufleben. Eine reizvolle Zeit- und Sittengeschichte, der das familiäre Drama Raymonds eine melancholische Note gibt.

Der als Geoffrey Anthony Quinn geborene Paul Raymond (1925-2008) war eine mehr als schillernde Figur: Im London der wilden Fünfzigern reizte er in seinen Clubs die Grenzen dessen aus, was an Nacktheit erlaubt war, führte lebendige „Statuen" vor und verdiente später mit privaten Strip-Clubs, die tausende „Mitglieder" hatten. Dann stieg er als Verleger mit der gleichen Chuzpe in die Porno-Branche ein, machte aber gleichzeitig in seinem eigenen Windmill Theatre mit großen Revuen auf Kultur. Zwischenzeitlich war Paul Raymond der reichste Mann Englands, besaß als „King of Soho" ganze Straßenzüge im Londoner Vergnügungs-Viertel.

Also ein gefundenes Film-Fressen für den umtriebigen Regisseur Michael Winterbottom und seinen Lieblingsdarsteller Steve Coogan: Die wilde Sitten-Geschichte Englands und vor allem des Londoner Bezirks Soho sucht trotz des exzessiven Sexuallebens seines Protagonisten Paul Raymond (Coogan) nicht den Skandal wie Miloš Formans Biographie von „Larry Flint". Denn über Raymonds Rückblick nach dem Drogen-Tod der geliebten Tochter Debbie (Imogen Poots) im Alter von nur 36 Jahren liegt eine große Trauer. Zwischen der Euphorie über einen unglaublichen Aufstieg, den Spaß am gewitzten Finten, mit denen Raymond die prüde Justiz narrt, und dem Staunen über ein sehr intensives Sexleben wechselt Winterbottom immer wieder zum melancholischen Erzählrahmen, in dem Paul mit seiner Enkelin durch die Straßen Sohos fährt.

Paul Raymond sieht sich mit Glück und zu recht (auch wenn er vor Gericht nicht immer Recht bekommt) als moderner König Midas, dementsprechend ist sein Privatleben eine Katastrophe. Seine Ehefrau Jean (Anna Friel), mit der er sein Imperium gründete, betrügt er fast jede Nacht mit Revue-Girls. Mit dem Erfolg seiner Clubs hält der einer verlogenen Gesellschaft mit Lust den Spiegel vor, aber auch er selbst lässt kräftig Doppelmoral raushängen.

Für TV-Kameras inszeniert der Selbstdarsteller ein gutes Verhältnis mit Tochter Debbie, danach bleibt ihr einsam nur die Droge. In dieser persönlichen Tragödie rückt die Zeitstimmung, die der geniale Regisseur etwa bei „24 Hour Party People" (2002) auch schon mit Steve Coogan einfing, in den Hintergrund. Der grelle Spaß am exzessiven Leben klingt beim alten, einsamen Paul Raymond in Moll aus. Milde, berührend melancholisch und nachdenklich wirkt dieser Winterbottom-Film nach. Ganz wie der Titel-Song „The Look of Love", komponiert von Burt Bacharach und Hal David, gesungen von Dusty Springfield. Dabei ist das stille Drama nicht nur in den Hauptrollen hervorragend besetzt. Klüger als seine Hauptfigur konzentriert sich der Film „The Look of Love" mehr auf die persönlichen Beziehungen und Tragödien als um den provokativen Exzess.