2.4.13

Ein freudiges Ereignis

Frankreich, Belgien 2011 (Un heureux événement) Regie: Rémi Bezançon mit Louise Bourgoin (Barbara "Babs" Dray), Pio Marmaï, Josiane Balasko, Thierry Frémont, Gabrielle Lazure 110 Min. FSK ab 12

Die schöne Philosophin und der schluffige junge Mann aus der Videothek finden schnell Gefallen aneinander, ihr originelles Kennenlernen läuft ganz ohne Dialog, nur über die Filmtitel ab, die sie sich gegenseitig über die Theke reichen: „In the mood for love", sein „Rendez-vous" wird mit „Träumen" beantwortet, aber am Ende leiht sie „Catch me if you can" aus. Eine wortwörtlich filmische Romanze beginnt, voller witziger Momente, jede Szene eine Pointe oder vielleicht auch ein Filmzitat. Gut sieht das aus, ist mit Humor inszeniert, selbst das bald gezeugte Kind macht da mit. Der Vorspann von Raumschiff Enterprise wird zu einem animierten Embryo im Weltall, die Ultraschall-Aufnahme läuft auf Großleinwand in der Videothek. Das große Spielkind Nico sucht sich selbstverständlich einen Ferrari-Kinderwagen aus, der sich in drastisch gezeigten Dummy-Tests als Buggy des Todes erweist. So wie die Szenen sehen auch die Menschen gut aus: „Das Mädchen aus Monaco" Louise Bourgoin als Philosophiestudentin Barbara und Pio Marmaï als Nico könnten einer Werbung entlaufen sein. Die Begeisterung über einzelne Szenen, der Spaß an vielen gelungenen Scherzen und lustigen Vibratoren in Tierform, sie bleiben an der Oberfläche. Die Ängste während der Schwangerschaft, die wachsenden Probleme mit dem Sex, der Kampf mit der Schwiegermutter werden unter altbekannt abgehakt. Obwohl scherzhaft philosophisch unterfüttert - da kommt ihr Studium über Wittgenstein mit Querverweisen zu Kafkas Verwandlung gerade recht - hat man das Gefühl, dies alles zu kennen, alles schon mal gesehen zu haben.

Doch nach der Geburt der Tochter werden die Scherze bitter, die Farben wechseln zu Grau und Braun, „Ein freudiges Ereignis" gerät gar für Sekunden zum Horrorfilm. Bei der Visite im Krankhaus starrt ein ganzer Jahrgang von Studenten auf die Nähte einer sehr schmerzhaften Geburt, die Intimzone wird zum Durchgangsbereich in der pointierten Schilderung der Verfilmung von Éliette Abécassis' Roman „Ein freudiges Ereignis" („Un heureux événement"). Damit ist der Sex gestorben und statt Nitzsche wird „Die Diktatur des Babys" gelesen. Aber es dauert noch eine leidvolle Weile, bis die kluge Intellektuelle Barbara erkennt, dass es nur theoretisch das pure Glück ist, Mutter zu sein.

Der grausame Niedergang einer Beziehung, der den Titel höhnt, findet seinen Tiefpunkt in ihrer dunkel pessimistischen Erkenntnis, sie kenne kein Paar mit Kindern, das noch glücklich sei. Nun ist man für jeden der Gags, die Anfangs im Überfluss kamen, dankbar. Denn sie helfen, das große Melodram des kleinen Alltags zu ertragen. Das Leben hat sich in den romantischen Film-Traum reingefressen. Jetzt haben die Figuren alle Aufmerksamkeit und unser ganzes Mitgefühl. Mutter und Kind wachsen zusammen, Mann und Frau auseinander, bis zur Trennung. Doch es gibt ein Wiedersehen in einer dieser klassischen Einstellungen des großen Kinos, bei der sich das Leben durch und fortsetzt.

Schon im sehenswerten, hervorragend besetzten Vorgänger „C'est la vie - So sind wir, so ist das Leben" (Le premier jour du reste de ta vie) aus 2008 über eine große Familie hatte Regisseur und Drehbuchautor Rémi Bezançon etwas zu sagen und vermittelte es mitfließend auf filmische Weise. (Der Nachfolger von „Ein freudiges Ereignis" lief übrigens schon bei uns: „Die Abenteuer der kleinen Giraffe Zarafa", eine sehr schöne Animation, deren Giraffe in diesem Film als Kinderspielzeug vorkommt.) Dass das Leben manchmal wegen eines „freudigen Ereignisses" in ganz unterschiedliche Phasen und Farben auseinanderfällt, kann man diesem ungewöhnlich, aber jede seiner Weisen einnehmend gemachten Film nur zugute halten. Eine sehens- und überdenkenswerte persönliche Sicht auf Leben, Liebe, Beziehung und dann wieder das Leben.