4.3.13

No!

Chile, Frankreich, USA 2012 (NO) Regie: Pablo Larraín mit Gael Garcia Bernal, Alfredo Castro, Luis Gnecco. Antonia Zegers 118 Min.

Die Machtverhältnisse sind zementiert, Demokratie läuft nur als Image-Kampagne und doch schafft es ein klares „Nein!", dass die Mehrheit wieder zu ihrem Recht kommt. „No!" mit dem mexikanischen Superstar Gael Garcia Bernal ist ein packendes Lehrstück in Sachen Demokratie, ein spannender Politthriller und die bewegende persönliche Entwicklungsgeschichte eines jungen Vaters.

Auf internationalen Druck lässt der chilenische Diktator Pinochet 1988 ein Referendum über die Fortführung seiner Präsidentschaft zu: Das SI bestätigt ihn weitere acht Jahre im Amt, das schon so negativ klingende NO öffnet den Weg zu freien Wahlen. Pinochet kontrolliert Staat und Medien mit eiserner Hand, so gibt sich selbst die zerstrittene Linke bei 15 Minuten TV-Sendezeit zu nächtlicher Stunde kaum eine Chance. Bis der brillante Werbefachmann René Saavedra (Gael Garcia Bernal) die weinerliche Kampagne umkrempelt. Er weiß, wie man Softdrinks poppig verkauft, also kann er auch das „No!" positiv besetzen und populär machen. Doch weiß der zurückgekehrte Exil-Chilene auch, wofür er kämpft?

René Saavedra ist mit Lederjacke und Jeans der rebellische Typ - im Besprechungszimmer der erfolgreichen Groß-Agentur. Draußen, im richtigen Leben, fährt er zwar mit dem Skateboard durch die Straßen, gehört aber ansonsten zu den Wohlhabenden auf der sicheren Seite, zu den Gewinnern des Unrechts, das wirtschaftlichen Erfolg mit Terror und Tod erkauft. Ganz im Gegensatz zu seiner ehemaligen Frau, der Mutter seines Sohnes. Verónica (Antonia Zegers) muss er - auch mit Hilfe der Beziehungen seines Chefs zum Regime - öfters aus den Fängen von Polizei und Sicherheitsdiensten befreien, gerade rechtzeitig bevor die Folterer und Mörder mit ihrer Arbeit beginnen. Doch auch Saavedra spürt den Druck des Regimes als seine Kampagne gegen alle Erwartungen erfolgreich ist: Von Drohungen seines Chefs, der auch noch die Gegenkampagne leitet, über Beobachtung der Mitarbeiter durch die Polizei bis zu direkter Gewalt reicht das Arsenal der Macht. Saavedra muss sich jetzt auch ganz real um seine Familie kümmern.

Die Politik des Nein-Sagens und des Widerstands macht Spaß in dem klugen und packenden historischen Drama „No!". Saavedras immer neue Werbe-Aktionen werden mit viel Lust und Kreativität präsentiert. Man verliert wie die Werbe-Fuzzis fast aus den Augen, dass hier alles todernst ist. Regisseur Pablo Larraín entwickelte seinen Film auf Basis des Theaterstücks „Referendum" von Antonio Skármeta („Mit brennender Geduld", „Il Postino"). Die Zeitstimmung der gar nicht so fernen Vergangenheit fing er ein, indem er
mit der analogen Umatic-Videotechnik der originalen Kampagnen-Spots drehte. Auch beim Personal gibt es ein Wiedererkennen bei vielen Cameo-Auftritten: Persönlichkeiten wie Patricio Aylwin, der erste demokratisch gewählte Präsident nach Pinochet, Patricio Bañados, der TV-Sprecher der NO- Kampagne, oder die Sängerin Isabel Parra sind im Archivmaterial und - 25 Jahre älter - auch in der Fiktion zu sehen.

Der wie in vielen anderen Projekten - „Und dann kam der Regen - También la lluvia", „Die Reise des jungen Che" - politisch aktierende Gael García Bernal spielt eine ambivalente Figur, denn mit ihm kann man lange Glauben, dass Image alles ist, dass sich jeder Inhalt wertfrei verkaufen lässt. Demokratie oder Diktatur nur eine Frage des Marketing-Konzepts. Dieser ebenso einnehmende wie glaubhafte Querschnitt durch eine Diktatur lehrt auch, dass in einer solchen nicht alles von einen Tag auf den anderen Terror ist. Es gibt Inseln, es gibt unterschiedliche Lebenswelten, man kann die Verhaftungen, Morde und scheinbar auch die Lager ausblenden und lässig herumskaten.