4.3.13

Nachtzug nach Lissabon

BRD, Schweiz, Portugal 2012 (Night Train To Lisbon) Regie: Bille August mit Jeremy Irons (Raimund Gregorius), Mélanie Laurent, Jack Huston, Martina Gedeck, Tom Courtenay, August Diehl, Bruno Ganz 111 Min. FSK ab 12

Der Roman „Nachtzug nach Lissabon" von Pascal Mercier scheint ja weltweit viele Leser begeistert zu haben. Bestseller ist er sowieso. Wie jedes Buch, das verfilmt wird; und wenn man die Zahlen all der vielen Bestseller mal hochrechnet, liest die gesamte Menschheit eigentlich nur noch. Ins Kino gehen braucht sie nicht, zumindest nicht in diesen unsäglichen Film.

Das Werk des Schweizer Philosophieprofessors Mercier wurde für diesen Film stark verändert, man kürzte dabei vor allem die pseudo-philosophischen Traktate ein. Das wäre ok, jede Literaturverfilmung sollte es anders als das Buch machen, Diskussionen über Regie-Film wie beim Regie-Theater erweisen sich schon in der Wortbildung als Unsinn. Furchtbar scheitert der „Nachtzug" jedoch, weil er durchgehend damit beschäftigt ist, seine Schau-Werte auszustellen. Das sind Postkarten aus Lissabon sowie Jeremy Irons, Martina Gedeck, August Diehl, Bruno Ganz und Lena Olin. Zudem in zweiter Reihe, quasi als Geisterbahn Christopher Lee, Charlotte Rampling und Burghart Klaußner. Geschichte erzählt sich zwischen diesen Nah- und Straßenaufnahmen nur bedingt. Historie in den Rückblenden nur auf übelst verkürzte Weise.

Um die fast zweistündige Qual wieder - ganz unliterarisch - zu vertexten: Der Berner Lehrer Raimund Gregorius (Jeremy Irons), rettet auf einer Brücke eine lebensmüde junge Portugiesin. Später bleibt ihm ihre Jacke mit einem alten Buch des portugiesischen Arztes Amadeu de Prado darin. Nun verfolgt Gregorius dessen Geschichte, indem er sich in den nächsten Nachtzug nach Lissabon setzt und dort angekommen, die Figuren der Erzählung aufsucht. Es ist ein Drama vom Ende der Diktatur, eine Liebesgeschichte unter den Widerstandskämpfern und eines gebrochenen Herzens.

Der dänische Regisseur Bille August kann weder für das Jetzt noch für die Vergangenheit interessieren. In Postkarten-Panoramen spielt Jeremy Irons einen verwirrten Jeremy Irons, dem erst seine alte Brille kaputt gehen muss, damit er besser sieht ... dass dies ein ziemlich plumpes Symbol ist. Martina Gedeck stellt als Optikerin schicke Kleider aus und kann ein glänzendes Auto zum Design und einen gefolterten Onkel zur Vergangenheitsbewältigung hinzufügen. Diese Aufarbeitung und Nacherzählung bleibt in vereinzelten Fragmenten Stückwerk wie ein Kurzfilm, wobei die Darsteller hier wenigstens mehr Raum zum Agieren haben. August Diehl als verlassener Revoluzzer Jorge hat noch eine der nicht ganz undankbaren Rollen. Wenn dann sein älteres alter Ego Bruno Ganz seinen Senf dazu gibt, will man jedoch wieder umgehend den nächsten Zug irgendwohin nehmen...

Dass August Diehl, eine der anderen Inseln anständigen Schauspiels in diesem Umfeld bemüht in die Kamera gehaltener Gesichter, völlig ohne Anknüpfungspunkte den jungen Ganz - oder Ganz den alten Diehl - spielen muss, verstärkt das Fremdschemen rund um diese Figur.

Eigentlich ist an diesem Film alles unsäglich, von dem Zurschaustellen der Poster-Stars bis zu blödsinnigen Details solcher Produkte für den Weltmarkt. Wieso beispielsweise spricht Diehl schlechtes Englisch? Als Portugiese kann seine Figur wohl recht gut Portugiesisch sprechen, oder Englisch, wenn das die Sprache des Films sein soll. Aber Englisch mit irgendeinem komischen Film-Akzent ist so bescheuert wie die meisten Entscheidungen in diesem Hochglanz-Machwerk, angefangen von den Reduzierungen des Stoffes auf eine Oberstufen-Zusammenfassung bis zum Verbrechen, talentierte Künstler vorzuführen, statt sie spielen zu lassen.