Killing Strangers
Mexiko / Dänemark 2013, 63 Min
REGIE: Jacob Secher Schulsinger, Nicolás Pereda
DARSTELLER: Gabino Rodríguez, Esthel Vogrig, Tenoch Huerta,
Harold Torres
Wie gut, dass es das Forum gibt. Da wird der mainstreamig
abgeschliffene Blick noch mal durchgeschüttelt, da werden mit in alle
Richtungen auspendelnden Werken die Eckpunkte des filmischen Erzählens weit
nach draußen verlagert und unbekanntes Seh-Land öffnet sich.
Perfektes Beispiel dafür am Berlinale-Starttag: „ Matar extraños“
von Jacob Secher Schulsinger und Nicolás Pereda. Zur Beschreibung klaue ich mal
was aus dem guten Katalog-Text: „In einem museal anmutenden Wohnzimmer findet
eine Reihe von Castings statt. Unterschiedliche Männer improvisieren oder
sprechen vorgegebene Texte nach, studieren Gesten und Parolen ein, zielen mit
einer Waffe, brechen sterbend zusammen. Immer wieder geht es dabei um
Revolution. Dazwischen Szenen in einer Wüstenlandschaft. Drei Männer, die sich
der mexikanischen Revolution zu Beginn des letzten Jahrhunderts anschließen
wollen, haben sich verlaufen.“
Dass die Wohnzimmer-Texte auch in der Wüste auftauchen -
oder umgekehrt? - scheint noch greifbar als ein Spiel mit den Erzählebenen.
Doch da gab es auch (als Vorwort?) einen Stanislawski-Text über das
Schauspielen, mittendrin Zitate aus Revolutionstexten von Arendt bis hin zu
Beatles „Revolution“. Wenn dann einer der Laien (wirklich?) beim Casting ganz
dramatisch die Geschichte von „Kevin allein zuhaus“ als sein Kindheitserlebnis
referiert, mit der Erzählung doch wieder bei den drei Männern in der Wüste
landet, ist das mit dem Entschlüsseln nicht mehr ganz so einfach. Stört das
Handy beim Vorsprechen? Nein, denn man kann aus der Muschel einen Text aus der
Wüste identifizieren!
Was ist hier Meta-Metaebene? Casten für Godot? Eigentlich
egal, weil man das Schauspiel(en) zu durchschauen meint, weil man statt einer
Folie ein Rhizom vor sich hat und sich gerne darin verliert. Die letzte Szene,
ein ganz, ganz langsames Ausblenden am Lagerfeuer (ritt im Hintergrund nicht
Jarmuschs „Dead Man“ vorbei?), ist eigentlich ein überlanger Hohn, doch auch
eine wunderbare Ironie. Wie sehr der Film wirkt, mehr man erst beim nächsten, wenn
da jemand versucht, mit dem üblichen Spiel aus eindeutigen Abbildern und Symbolen
zu erzählen und man denkt: Mit mir nicht (mehr)!
(für Lars ;-)