Der
Meister Wong Kar Wai
erteilte allen anwesenden Filmemachern mit „The Grandmaster“ eine Lektion.
Selbst wenn man nicht übermäßig viel für asiatische Klöppereien übrig hat, hier
wird Martial Arts zum Ballet, zum atemberaubenden Bewegungs- und Bilder-Fluss.
Die lange Geschichte ist schnell erzählt: Ip Man (Tony Leung), ein
überlegener, aber bescheidener Kämpfer des Kung Fu aus dem Süden, wird zum
Nachfolger des ganz großen und vereinigenden Meisters Gong, indem er es sogar
mit dessen Tochter, der Zauberin der 64-Schlag-Technik, aufnimmt. Dieser
ausgesprochen romantische „pas des deux“ sollte fortgesetzt werden, doch der
Einmarsch der japanischen Armee trennt die Liebenden. Erst nach vielen Jahren
und politischen Umwälzungen treffen sie sich im inzwischen britischen Hong Kong
wieder. Doch Frau Gongs Gelübde, dass ihr half, den Mörder des Vaters zu
besiegen, steht der Erfüllung im Wege.
Es ist ein typischer Wong Kar Wai, der einen Moment nicht
erfüllter Liebe über Jahrzehnte und mehrere Filmstunden aufs Wunderbarste
zerdehnen kann. Kurze Zeitlupen, schwebende Rauchwölkchen, zitternde
Schneekristalle, Tropfen, die für ihr perfektes Perlen reihenweise Oscars
erhalten müssten... Das schmerzlich süße Schmachten kann niemand so gut in
Filmform bringen, wie man seit „In The Mood For Love“ weiß. Dazu Tableaus, die
an Rembrandts Gilden-Gemälde erinnern oder aus einem Bordell in Süd-China „Eine
Bar In den Folies-Bergère“ im Stile Manets machen. Dass in der unvereinbaren
Liebe zwischen dem verschneiten Norden und dem warmen Süden nebenbei
chinesische Geschichte und in der Zusammenführung unterschiedlicher Kampfstile
durch Ip Man etwas Wesentliches für den Kung Fu erzählt wird, ist da fast
Nebensache. Denn wie etwa anhand des aufmerksamen Kochens einer Suppe
Lebensweisheiten vermittelt werden, äußern die Figuren zwar wenig, aber
Treffendes. Fachjournale mögen entscheiden, ob die Geschichte des Lehrers von
Bruce Lee korrekt wiedergegeben ist. Als einfacher Zuschauer überlegt man sich, doch
irgendwie berühmt zu werden, nur damit Wong Kar Wai vielleicht auch mal dieses
Leben auf betörend schöne Weise gestalten möge.