16.1.13

Tarantino XX DVD-Box

Regie: Quentin Tarantino

Universum

Werkschau

Diese Packung wird den kleinen Quentin erfreuen, der ja fast in der Videothek aufgewachsen ist. Was er dadurch vielleicht an sozialem Umgang und humanistischer Bildung verpasst hat, macht er mit umfassendem Filmwissen wett. Dass er besonders gerne aus der Schundecke zitiert, bei seinem neuen Film „Django Unchained" etwa den Italo-Western, und ein sagen wir mal ungezwungener Umgang mit Gewalt, macht ihn nicht gerade zum Vertreter für Hochkultur. Doch Cannes schätzt ihn ebenso wie seine Fans. Und der nächste Fan-Boy kann sich auf die komplette Werkausgabe namens „Tarantino XX" stürzen. Da steht das XX wohl ebenso als Andeutung für nicht Jugendfreies wie für eine zwanzigjährige Karriere seit dem sensationellen Auftakt „Reservoir Dogs" (1992). Mit Tony Scotts „True Romance" (1993) für den Tarantino das Drehbuch schrieb, folgte der am meisten unterschätzte Film des Golden Globe- und Oscar-Preisträgers, der 1963 in Knoxville, Tennessee geboren wurde. Sein ganz großer Hit „Pulp Fiction" (1994) hingegen wird bis heute überschätzt. Monatelang bastelte die Filmgemeinde an der verschachtelten Reihenfolge der Szenen rum, doch es bleibt letztlich nur „Pulp" - ein teuer produzierter, billiger und lässiger Spaß mit viel Geballer. Aber hier beginnt bereits die erweiterte Diskussions- und Kampfzone um Tarantino, die dem Schlachtfeld im japanischen Garten von „Kill Bill Vol. 2" ähnelt. Überzeugungshilfe liefert die umfassende Box mit allen sieben Regiearbeiten und „True Romance" auf dem Blu-ray-Bonus „Kritiker im Gespräch": Fast sechs Stunden erörtern zahlreiche Kritiker Tarantinos Bedeutung als einer der einflussreichsten Drehbuchautoren und Regisseure unserer Zeit.

Leider fehlen drei interessante Filme nach Tarantino-Büchern: Das Vampir- und Hayek-Gemetzel „From Dusk till Dawn" (1996) vom der zweischneidigen Schlachtaxt Rodriguez/Tarantino und mit George Clooney! Dann die fast blutarme Nettigkeit „Four Rooms" (1995) von vier Regisseuren mit Tim Roth als Hotelpagen. Neben QT sind Allison Anders, Alexandre Rockwell und
Robert Rodriguez dabei, was Tarantino schön als Speerspitze der Independent-Bewegung verortet, die 1992 parallel zu der Premiere von „Reservoir Dogs" beim Sundance Festival so richtig ins Rollen kam. Aber vor allem fehlt Oliver Stones medienkritisches Erdbeben „Natural Born Killers" (1994), für das große Filmkind Quentin das Originaldrehbuch schrieb - ein schockierender Wahnsinns-Trip, heftiger als drei Tarantinos zusammen, intellektuell ergiebiger als die ganze XX-Box. Wenn man nur Filme sieht, kommt als größte Weisheit halt auch nur ein Filmzitat raus. Aber der Meister hat ja noch ein paar Jahre vor sich, vielleicht kommt da noch was bis zur IV-Box. Mit dem schon enthaltenen „Inglourious Basterds" (2009) und „Django Unchained" (2013), der gerade im Kino läuft, sowie der deutlichen politischen Stellungnahme darin geht es in eine gute Richtung.

Insgesamt enthält die sehr schön gestaltete 9er-Box mit einer Leporello-Collage aus Filmmotiven drei (DVD) beziehungsweise acht Stunden (Blu-ray) neue Extras. Beginnend mit dem Zweistünder „20 Years of Filmmaking", einer Dokumentation über Tarantinos Karriere. Zahlreiche Mitarbeiter, Stars und Filmgrößen kommen dabei zu Wort. Eine besondere Ehrung erhält Tarantinos treueste Mitarbeiterin, Sally Menke. In einer Diskussion zu „Jackie Brown" gibt es Einblicke von Quentin Tarantino, Robert Forster und Hauptdarstellerin Pam Grier. Die fünf Trailer zu „Django Unchained" verbuchen wir unter Werbung, denn mit oder ohne dieses entfesselte „Tarantino unchained"-Begleitpaket, sollte man sich den aktuellen Kinofilm auf jeden Fall ansehen.


Inglourious Basterds (2009)
Death Proof (2007)
Kill Bill Vol. 2 (2004)
Kill Bill Vol. 1 (2003)
Jackie Brown (1999)
Pulp Fiction (1994)
True Romance (Drehbuch, 1993)
Reservoir Dogs (1992)