29.10.12

Skyfall

USA, Großbritannien 2012 (Skyfall) Regie: Sam Mendes mit Daniel Craig, Judi Dench, Javier Bardem 143 Min. FSK ab 12

Alles über Bonds Mutter / M für Mama

Irgendwie sieht er noch immer aufgesetzt aus, der kantige Kopf Craigs auf dem Smoking vom Kostümverleih oder aus der Mottenkiste (immerhin ist diese Filmfigur schon ein halbes Jahrhundert alt). Was den Craig-Bond erneut vor der fortgesetzten Selbstparodie der Moore- und Brosnan-Epochen rettet, ist die Regie von Sam Mendes - auch wenn der sagt, er hätte für den Film "seinen inneren 13-Jährigen" abrufen müssen. Kinderkram also, wenn er ziemlich unrealistisch eine U-Bahn in den Untergrund krachen lässt. Oder mit einem dieser Büro-Hubschrauber aus dem Elektronik-Versand, der aussehen soll wie echt, das Landgut namens Skyfall dem Erdboden gleich macht.

Doch zwischen den meist einschläfernden Action-Routinen, liegt der entscheidende Kniff von "Skyfall" darin, dass der vormals unkaputtbare James Bond noch menschlicher und schwer verletzt angelegt ist. Das „sterben lassen und wieder beleben" gerät in der ersten Hälfte eines über zwei Stunden langen Films geradezu zur morbiden Obsession - angefangen mit Nahtod-Sequenz des Vorspanns. Wie bei anderen Versuchen, Filmstandards zu beleben - zuletzt mit Batman - ist es ein andauerndes Untergehen, Untertauchen, für tot oder unfit erklärt werden. Die Zerstörung des Unzerstörbaren kostet „Skyfall" ausführlich aus.

Aber auch mit einigen eindrucksvollen Inszenierungsmomenten kann Mendes beeindrucken: Die diffuse Psyche Bonds projiziert sich auf Schatten- und Spiegel-Spiele. Die geraten in einem Shanghaier Hochhaus zu einer wunderschönen Sequenz experimenteller Videokunst. Riesenquallen aus Licht irgendwo in einem Stockwerk weit über Hundert sind weitaus reizvoller als das „ermüdende Rennen und Ballern" (Zitat Oberschurke Silva).

Punkte gibt es auch für Javier Bardem als rachsüchtigen Ex-Agenten Silva: Schon sein Auftritt, ein langes, langsames Annähern aus der Tiefe des Raumes bis zur Nahaufnahme, hat Klasse. Mutig auch Silvas homoerotische Anmache von Bond, die den modernen Undercover-Mann allerdings keineswegs schockiert: „Wer sagt, dass dies das erste Mal wäre...?" Bardem übererfüllt in jeder Szene, mit jedem Satz die Erwartungen an einen Bond-Schurken. Seine Geschichte von enttäuschter Mutterliebe - eine von zweien - ist guter Psycho. Die von Bond zur gleichen M(ama) eher Melodram, aber beides zusammen weckt den Eindruck, Mendes hatte seinen Almodovar drehen wollen. Gleich mit dem Almodovar-Darsteller Bardem!

Etwas Handlung gibt es auch, angenehm undramatisch bleiben die Klischees der Weltpolitik außen vor: Während Bond als Todgeglaubter am Strand rumvögelt (der herausgestellten Alkohol- und Tabletten-Abhängigkeit sollte man noch die Sex-Sucht als Problem hinzufügen), fliegt M (Judi Dench) in London das MI6 um die Ohren. Statt jedoch in Würde abzutreten, will die fluchende, bärbeißige Geheimdienst-Chefin noch den Laden aufräumen, der von Hackern untergraben wurde. Die am Anfang noch routiniert zügige und auf türkischen Eisenbahnen zugige Action zieht sich jedoch immer mehr zurück.

So ist dieser „Wolkenbruch" (dt. für Skyfall) vielleicht eine kalte Dusche für Bond-Fans, aber ein richtig guter, psychologisch spannender und kurzweiliger Film, der so weit wie möglich die öde Action-Routine reduziert. Dass Filme und Geheimagenten immer noch alles kaputt machen dürfen und dass M nun dafür zahlen soll, dass sie ihre eigenen Agenten opferte, geht leider nicht bis zur systemimmanenten Bond-Kritik.