7.10.12

Savages

USA 2012 (Savages) Regie: Oliver Stone mit Aaron Johnson, Blake Lively, Taylor Kitsch, Benicio Del Toro, Salma Hayek, John Travolta 131 Min. FSK ab 16

Und? Letztens einen Film gesehen, der dein Leben verändert hat? Diese Frage an einen Kritiker ist durchaus bedrohlich, denn wer kann schon mehrfach pro Woche sein Leben ändern? Oliver Stone schaffte es immerhin zweimal im Leben einen Film zu machen, der einem die Füße unter der Realität wegreißt. „Savages" wiederholt den Effekt von „Natural Born Killers": Man kommt aus dem Kino und alles ist anders...

„Savages" ist eine Gangster- und Drogen-Geschichte, nicht wie alle anderen. Das fängt bei den beiden Bossen an: Sympathische, junge Kerle dieser Ben (Aaron Johnson) und Chon (Taylor Kitsch), die „Ben & Jerry's" des kalifornischen Marihuana-Verkaufs. Ihre Sorte ist durch raffinierten Anbau so geschmack- sprich: wirkungs-voll, ihre Organisation ist im Stile der Internet-Generation so dezentralisiert, dass man sie auch als Steve Jobs und Bill Gates der Rausch-Industrie bezeichnen könnte. Zwischen ihnen steht, oder besser: liegt Ophelia (Blake Lively), genannt O. Ein reizendes, fast paradiesisches Jules und Jim des Gangstertums, wenn nicht ein mexikanisches Drogenkartell per Email ein übles Kettensägen-Massaker-Video schicken würde. Als Einladung zum Geschäftsgespräch. Jetzt sehen die zwei Banditen „Butch Cassidy and the Sundance Kid" als Menetekel an die Wand projiziert. Ihre kontroveren Reaktionen: Der Irak- und Afghanistan-Veteran Chon will direkt und gnadenlos zurück schlagen. Der Biologe und Philosoph Ben macht auf Buddha und findet, es sei sowieso Zeit auszusteigen. 24 Stunden Bedenkzeit sind jedoch viel zu lang, die eiskalte Patin Elena (Salma Hayek mit Kleopatra-Frisur) erkennt O als verwundbare Stelle der Gegner und entführt die verwöhnte Drogenabhängige. In der Hand des ultrafiesen Lado (Benicio Del Toro) ist diese Gefangenschaft schon bei Zusehen schwer zu ertragen. Mit erzwungener Hilfe des korrupten Drogenpolizisten Dennis (John Travolta) entdecken Ben und Chon ihrerseits den schwachen Punkt von Elena und liefern ihr außerdem einen vermeintlichen Verräter im innersten Kreis aus. Dessen ultrabrutale Hinrichtung ist der nächste Schritt in einer Konfrontation, die nur im Massaker enden kann...

„Just because I am telling you this story doesn't mean I am alive at the end." Ja richtig, O, wir kennen die Filme, in denen Tote uns erzählen, weshalb sie mit dem Kopf nach unten im Pool treiben. Dass du uns eine Überraschung im Finale ohne Steigerung vorenthältst, ist etwas schade. Aber ansonsten ist Oliver „Rolling" Stone wieder über uns hinweggerollt und hat uns platt gemacht. Nicht, weil der Mann ein Schwätzer mit Worten und Bildern ist. Sein „JFK" war so eine unvergleichlich ermüdende Rede- und Montageschlacht. Nach dem historischen „Alexander" porträtierte er mit Castro und Chavez die politischen Visionäre von gestern und heute. Nun erzählt er überall, dass es eine Menge Gangster arbeitslos und tausende Menschen jährlich retten würde, wäre Marihuana nicht mehr illegal. Das weiß inzwischen jeder, der nicht in Bayern CSU wählt, man kann es aber auch vergessen und mit Entsetzen verfolgen, wie im Drogenkrieg aus einem Buddhist (Ben) und einem „Baddist" (Chon) zwei ganz schön böse und skrupellose Killer werden. Dabei wollte der eine sein Geld eigentlich in Sonnenkollektoren und 14 Dollar-Computer für afrikanische Kids investieren. Das allein reicht als Argument für „Legalize it!". Trotzdem klasse, dass Stone - nach der Vorlage „Zeit des Zorns" von Don Winslow - eine enorme Bild-, Musik- und Text-Gewalt auffährt, um uns mächtig zu beeindrucken. Dazu in genial schräg besetzten Rollen Hayek, Del Toro und Travolta als Höllenreiter der Cocakalypse. Das überfährt mehr, als dass es überzeugt. Man weiß eigentlich nicht, was man gesehen hat. Nur dass es gewaltig war.