5.6.12

Amador und Marcelas Rosen

Spanien 2010 (Amador) Regie: Fernando León de Aranoa mit Magaly Solier, Pietro Sibille, Celso Bugallo, Sonia Almarcha 113 Min. FSK ab 6

Eine ganze Menge Perlen enthält die wunderbar stille Geschichte „Amador" von Fernando León de Aranoa. Der Spanier begeisterte schon 2005 mit der harten und poetischen Prostituierten-Geschichte „Prinzessinnen der Straße - Princesas".

Marcela (Magaly Solier) hat den Abschiedsbrief schon geschrieben, den Koffer gepackt und bricht an der Bushaltestelle zusammen. Die im Krankenhaus erkannte Schwangerschaft führt sie zurück zu Nelson (Pietro Sibille). Der Einwanderer klaut nicht mehr frische Blumen beim Großhändler und verkauft sie mit seinen Straßenhändlern in Barcelona aufgehübscht und deodoriert. Als der dazu dringend notwendige Kühlschrank den Geist aufgibt, übernimmt Marcela die Pflege eines alten Mannes. Amador (Celso Bugallo) ist jedoch nicht der übliche Griesgram, den man im Film oft sieht. Der Bettlägerige sagt schöne und weise Dinge. Während Nelson nur vom Geld redet und Blumen parfümiert, erzählt Amador von Seejungfrauen und erkennt auch Marcelas Schwangerschaft, von der ihr Lebenspartner nichts ahnt.

Jeder Satz von Amador ist eine Perle. Vor allem einen merkt sich Marcela: Das Leben sei wie ein Puzzle, man habe alle Stücke, die man brauche, müsse sie nur an die richtige Stelle setzen. Mit einem Puzzlestück Himmel in der Hand schließt Amador zufrieden die Augen und stirbt leise. Weil Nelson ihren Lohn jedoch schon für einen neuen Kühlschrank ausgegeben hat, muss Marcela den Tod Amadors geheim halten. Die Tochter des Mannes baut an der Küste und ruft sowieso höchstens mal an. Während einer Hitzewelle tut Marcela mit einem erbarmungswürdig ängstlichen Blick ihren Dienst bei der Leiche im Zimmer. Es ist furchtbar anzusehen wie schwer es der einfachen Frau fällt, diese Lüge zu leben. Dass Amador noch nach seinem Ableben Geld bringt, passt zur Metapher der Blumen, die uns ihren Geruch schenken, auch wenn sie tot sind. Doch Amador riecht nicht mehr gut, da helfen auch mehrere Dosen Raumspray nicht. Einem Nachbar fiel es schon auf. Die Prostituierte, die jeden Dienstag kam, tauscht sich mit Marcela auf witzige Weise über die schwierige Situation aus. Und ein ahnungsloser Priester antwortet auf ein verzweifeltes Gebet: Wenn jemand von uns gegangen ist, bleibt immer etwas von ihm zurück.

Ist die Geschichte im Sozialen eigentlich erschreckend hart, erblüht sie doch in aller Stille mit einem leisen Humor und mit einer feinen Meisterschaft im Erzählen. Zwei großartige Schauspieler stehen im Zentrum einer Inszenierung, die unspektakulär wirkt, aber viele kleine Schätze anbietet. Magaly Solier beeindruckte schon 2009 im Berlinale-Sieger „Eine Perle Ewigkeit". Immer wieder erinnern Blicke zum Himmel an das Puzzle Amadors und ganz unspektakulär wächst Marcela in der absurden Situation. Die Lösung ist aberwitzig, aber stimmig im Sinne der Puzzle-Metapher: Alles findet am Ende seinen Platz. Ihrem Freund hinterlässt Marcela nur das Puzzle des Abschiedsbriefes. Wir wissen jedoch mittlerweile, dass diese Tätigkeit das Wesen durchaus erweitern kann.