27.3.12

The King of Devil’s Island

Norwegen, Frankreich, Schweden, Polen 2010 (Kongen av Bastøy) Regie: Marius Holst mit Stellan Skarsgård, Benjamin Helstad, Kristoffer Joner, Trond Nilssen, Magnus Langlete 116 Min. FSK ab 12

Was für ein großartiges und trauriges Bild: Nach tagelanger Jagd wird ein Wal mit drei Harpunen im Körper erlegt. Seine Haut ist voller Narben. Auch den jungen Seemann Erling (Benjamin Helstad) zeichnen Narben und blaue Flecken als er 1915 in der norwegischen Erziehungsanstalt Bastøy für jugendliche Delinquenten ankommt. Auf der Gefängnisinsel führt Bestyreren (Stellan Skarsgård) ein strenges, religiös unterfüttertes Regime. Die Jungens werden durchnummeriert und haben keine Namen mehr, gleich der erste Gedanke des angeblichen Mörders an Flucht wird brutal mit Schlägen auf die Handflächen bestraft. Die Wege der beiden Neuankömmlinge unterscheiden sich: Der trotzige, kräftige Erling wehrt sich gegen die Unterdrückung, während der ängstliche, feingliederige Ivar (Magnus Langlete) regelmäßig vom „Hausvater" Bråthen (Kristoffer Joner) vergewaltigt wird. Zwar ringt sich Olav (Trond Nilssen), als C-1 der verantwortliche Junge von Baracke C, durch, dem Direktor zu melden, was alle wissen, doch niemand will ihn hören. Wodurch für den gequälten Ivar nur noch der Selbstmord bleibt. Dem Opfer die Schuld gegeben, es sei nicht stark genug für unsere Gesellschaft. In einer großen Solidaritäts-Szene müssen die Jugendlichen, moralisch reifer als die Erwachsenen, selber für Gerechtigkeit sorgen. Eine echte Revolution, ein blutiger Aufstand der Geknechteten, gegen die der Staat gleich ein ganzes Kriegsschiff schickt und mit einem Heer die Kinder wieder einfängt. Dabei sind die meisten Soldaten auch nicht viel älter.

Marius Holsts vierter Spielfilm ist ein Gefängnisdrama, das in Sachen Analyse der rigiden Gesellschaften vom Anfang des 19. Jahrhunderts durchaus mit „Das weiße Band" verglichen werden kann. Und auch in seiner klaren, gradlinigen und packenden Erzählweise der „Flucht von Alcatraz" ebenbürtig ist. Ein großes, in dunklen blauen und brauen Farben sehr sorgfältig inszeniertes Werk. Hauptdarsteller Benjamin Helstad sieht aus wie ein junger, pummeliger Robert Redford und man kann auch an dessen frühen Film „Der Unbeugsame" denken. Ein weiterer Fokus auf den von Stellan Skarsgård eindrucksvoll gespielten Direktor, der versucht, gerecht zu sein, den Ansprüchen seiner fordernden Frau zu entsprechen und den Tod eines Jungen verschuldet, weil er nicht entschlossen gegen den Päderasten handelt. Weniger als die realen Aufnahmen der Anstalt Bastøy vor dem Abspann erschrecken die Überlegungen, dass so was heute immer wieder passiert, in Besserungsanstalten in den USA beispielsweise. Und dass die Folgen noch immer in Menschen stecken.