10.1.12

Verblendung (2011)

USA, Schweden, Großbritannien, BRD 2011 (The Girl with the Dragon Tattoo) Regie: David Fincher mit Daniel Craig, Rooney Mara, Robin Wright, Stellan Skarsgård, Christopher Plummer 158 Min. FSK ab 16

Ihnen gefällt ihr Auto? Gut, dann bauen wir es einfach noch mal, viel teuerer, aber dafür sind alle Beschriftungen in einer anderen Sprache und fast alles stammt aus den großen, tolles US of America! Klingt bescheuert, aber so funktioniert die Filmindustrie, so funktionieren auch die deutschen Kinozuschauer. Die Millennium-Trilogie nach den Romanen von Stieg Larsson wurde - mit gewisser Varianz in den einzelnen Teilen - exzellent verfilmt, war ein großer Erfolg. Auch auf DVD, man kann sich die Filme also jederzeit wieder ansehen. Doch man kann sie auch für hunderte Millionen neu verfilmen. (Irgendwelche Ideen für eine sinnvollere Verwendung des Geldes?) Immerhin sorgt dieser hirnrissige Leerlauf für einen neuen Film von David Fincher - der sicherlich auch originelleres Material gefunden hätte - und Auftritte von Daniel Craig.

Der linke Journalist Mikael Blomkvist (Daniel Craig), der wegen seiner letzten Enthüllungs-Geschichte eine Verleumdungsklage am Hals hatte und auch sonst angeschlagen ist, nimmt den Auftrag eines Industriellen an, die Chronik des Vanger-Clans zu schreiben. Dabei ist diese sehr reiche Familie extrem zerstritten und seit dem Verschwinden von Harriet vor Jahrzehnten traumatisiert. Blomkvist quartiert sich auf der Insel der Familie ein und aus dem Journalisten wird ein Detektiv, der erst mit Hilfe der Cyber-Punkerin Lisbeth Salander (Rooney Mara) einer Serien von Frauenmorden auf die Spur kommt.

Mehr als eine Stunde erzählt „Verblendung 2" zwei getrennte Handlungen mit unterschiedlichen Stimmungen: Hier der Thriller, der gemächlich beginnt und sich immer enger sowie bedrohlicher um Blomkvist zusammenzieht. Dort das auch im Remake faszinierend irritierenden Porträt der jungen Lisbeth Salander, die in Folge von schwer vorstellbaren Verletzungen zu einem aggressiven, gehetzten Tier wurde. Denn als Kreatur stellt der Film Lisbeth mit ihren Tattoos, den Schreiben und der aggressiven Reflexen dar.

„Verblendung" besetzt zwar mit Hollywood-Bekannten und übersetzt den Roman in das Fincher-Universum, belässt die Handlung allerdings in Schweden. Auch hierin ergibt sich also keine eigenständige Adaption wie etwa bei dem grandiosen zweieiigen US/skandinavischen Pärchen „So finster die Nacht" / „Let me in". Fincher sei Dank verlässt sich der Film bei gleicher Story nicht auf die eindrucksvolle Besetzung. Worte wie „Nahrungsersatzstoffe" oder „Industriekäse" brauchen also in diesem Zusammenhang nicht zu fallen.

Obwohl - bei Fincher, dem Regisseur von „Fight Club", „Se7en" und „Zodiac" erwartet man das Dunkle noch etwas dunkler. Wie bei „Zodiac" geht es um einen Serienmörder, die Grausamkeiten von „Millennium" stehen denen von „Se7en" nicht viel nach, biblische Verweise sind sowieso Grundausstattung der meisten Krimis. „Verblendung 2" ist allerdings vor allem stringenter erzählt, Styling und Schnitt sind geschliffener, was vielleicht der Spannung gut tut, aber die Geschichte und ihr Grauen von den realer gefühlten Menschen in den ungefährlicheren Hollywood-Kosmos überführt.

Selbst wenn Rooney Mara als Lisbeth Salander nicht so eindringlich wirkt wie ihr Widerpart Noomi Rapace, ist auch die 2011er „Vergebung" eher eine Salander-Show. Die Szene ihrer Vergewaltigung durch den staatlichen Vormund ist mindestens ebenso brutal, wenn da überhaupt noch Schlimmeres vorstellbar ist. Craig selbst spielt gut, aber bleibt zu körperlich. Der originale Film-Blomkvist Michael Nyqvist war mehr Schreibtisch-Mensch, verletzlicher in den zunehmenden Angriffen. Wenn Craig nach einem Streifschuss unter der Dusche wimmert und Angst vor Lisbeths beherztem Zusammennähen der Wunde (mit Zahnseide!) hat, ist das auch unfreiwillig komisch.