26.9.11

Die Lincoln Verschwörung

USA 2010 (The Conspirator) Regie: Robert Redford mit James McAvoy, Robin Wright, Kevin Kline, Tom Wilkinson, Evan Rachel Wood 122 Min.

Preisfrage: Was hat der alte Abe Lincoln mit 9/11 am Hut? Da fällt einem zuerst nichts ein, aber nach Robert Redfords spannendem historischen Gerichtsfilm „Die Lincoln-Verschwörung", wird glasklar, was in den letzten zehn Jahren im Land der unbegrenzten Möglichkeiten alles an juristischen und verfassungsmäßigen Grundfesten eingerissen wurde. Zu Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges (1861-65) soll ein junger Anwalt eine vermeintliche Mitwissende am Mord an Präsident Abraham Lincoln verteidigen. Nach anfänglichen Zweifeln engagiert er sich für eine bemerkenswerte Frau und für Grundprinzipien des jungen amerikanischen Rechtes, die von Angst- und Sicherheits-Politikern mit den Füssen getreten werden.

Der Mord an Präsident Lincoln während einer Theaterverstellung am 15. April 1865 ist ein bekanntes historisches Ereignis. Dass der Attentäter John Wilkes Booth auf der Flucht erschossen wurde, weiß man vielleicht auch. Dass aber eine ganze Gruppe von Verschwörern aus dem Süden angeklagt war und hingerichtet wurde, hört man hingegen selten. Unter ihnen befand sich Mary Surratt (Robin Wright), eine katholische Witwe aus dem Süden der noch nicht wieder vereinigten Staaten, in deren Washingtoner Pension sich die Verschwörer - unter ihnen ihr Sohn - trafen. Kurz nach dem Attentat übernimmt der Verteidigungsminister Edwin Stanton (Kevin Kline) das Kommando und ist sofort überzeugt, dass dies nicht die Tat eines Mannes war. Stanton will Rache an ein paar Sündenböcken, um die Nation zu einen. Neun linientreue Offiziere sollen in einem Militärgericht die Zivilisten verurteilen. Die Angeklagten werden mit Säcken auf dem Kopf hereingeführt, eine ihnen gemäß Verfassung zustehende Jury gibt es nicht, Zeugen werden beeinflusst. Das hört sich eindeutig nach Guantanamo an und sieht auch genau so aus. Nur der verdienstvolle Senator Reverdy Johnson (Tom Wilkinson) erkennt das schreiende Unrecht und übernimmt die Verteidigung von Mary Surratt. Doch als Südstaatler würde er in der aufgeheizten Stimmung nach dem politisch motivierten Präsidentenmord jede Chance seiner Mandantin verspielen, deshalb übergibt er das Mandat dem jungen, im Krieg für den Norden ausgezeichneten Kapitän Frederick Aiken (James McAvoy). Nach dem klassischen Schema des ungeeigneten Verteidigers nähert sich Aiken ihr und der Aufgabe sehr skeptisch. Die harte unbeugsame Frau voller Hass auf die Sieger schweigt in der Einzelhaft. Doch langsam wird ihm klar, das alles, wofür er vier Jahre gekämpft hat, in diesem Verfahren aufgegeben wird…

Beim allem Clooney-Hype wurde fast vergessen, dass auch Robert Redford in seinen Filmen ehrliches politisches Engagement an den Tag legt. Nicht unbedingt beim „Pferdeflüsterer", aber der Mann hat immerhin unbestechlich Watergate aufgeklärt und „Von Löwen und Lämmern" erzählt, die US-Außenpolitik zu einem amoralischen, rechtlosen Geschacher machen. Nun ist die Aussage der „Lincoln-Verschwörung" verblüffend einfach: Man ersetze die Südstaatler durch Moslems und der gemeine Amerikaner kann plötzlich was verstehen. Das klingt simpel, aber so wie Redford die Vorverurteilung, die Anfechtungen von Aikens Freunden, die gesellschaftliche Hexenjagd zeigt, bekommt die Situation satt Dramatik und die Figur einen Hauch von Kohlhaas. Das ist kein Grisham und scheinbar unspektakulär, aber bis zur letzten Minute packend, weil man es einfach nicht glauben will, dass Recht so verbogen wird.

Wenn eine Regierung den Boden der Demokratie verlässt, weil das Volk einen Sündenbock will, dann ist der von Autor James D. Solomon recherchierte Film trotz einer wie Naturlicht wirkenden Ausleuchtung der Innenräume (Kamera: Newton Thomas Sigel) nicht an historischer Genauigkeit im Erfühlen einer anderen Zeit interessiert. Fast jeder der grimmigen Befehle des von Kevin Kline furchterregend gespielten Verteidigungsministers klingt wie die martialischen Cheney-Sätze vom Verteidigungsminister und Vizepräsident, der die USA mehr als die wirren Gedanken des Hampelmannes Bush Junior beeinflusst hat.

Nach der Exekution von Mary Surratt beschloss das Oberste Gericht, dass keine Zivilisten von einem Militärgericht mehr abgeurteilt werden dürfen. Ein Rechtsgrundsatz, der 131 Jahre hielt - bis nach dem 11. September 2001. Eine letzte Szene Aikens mit dem Sohn von Mary Surratt, der seine Mutter hängen ließ und selbst von einem ordentlichen Gericht freigesprochen wurde, macht deutlich, dass Rechtsprechung zwiespältig und nicht unfehlbar bleibt. Doch Roberts Redfords Warnung, nicht „in Zeiten der Trauer der Inquisition zu verfallen", ist für alle westlichen Länder dringend notwendig. Anwalt Frederick Aiken verabschiedete sich von der Justiz und wurde Redakteur bei der gerade gegründeten Washington Post. (Die brachte dann mit Hilfe von Robert Redford den Watergate-Skandal ans Licht, aber das ist eine andere Geschichte.)