31.7.11

Angèle und Tony

Frankreich 2010 (Angèle und Tony) Regie: Alix Delaporte mit Clotilde Hesme, Grégory Gadebois, Evelyne Didi 87 Min. FSK ab 6

„Angèle und Tony" ist ein französischer Film. Aber vor allem einer des exzellenten Freiburger Verleihers Koolfilm, der im Laufe der Jahre eine Schatzkiste ausgezeichneter Arthouse-Perlen wie „Nokan", Louise hires a contract killer" oder „Eldorado" versammelt hat. Dies ist schon die erste Empfehlung für den Erstling von Alix Delaporte. Die Geschichte einer Mutter, die um das Erziehungsrecht ihres Sohnes kämpft, wurde zwar schon oft erzählt, aber so gekonnt reduziert, mit so exzellenten Schauspielern vor rauer Küstenkulisse hat man sie noch nie sehen dürfen.

Angèle gewinnt nicht sofort Sympathien: Die junge, schlaksige Frau mit den stechend blauen Augen unter den roten Haaren besorgt sich mit schnellem Sex im Stehen eine Spielzeug-Actionfigur. Das von einer Kontaktanzeige eingeleitete Treffen mit Tony (Grégory Gadebois) klappt nicht. Der rundliche, ältere Fischer kommt zu spät und darf sie noch zur Arbeit in der Fabrik fahren. Dort stiehlt sie nur ein Fahrrad, um zum Kindergarten ihres kleinen Sohnes zu gelangen. Das Geschenk für den morgigen Geburtstag traut sie sich dann doch nicht persönlich zu übergeben und drückt das Spielzeug dem Schwiegervater in die Hand, bevor sie wieder unruhig verschwindet...

Chaotisch, ratlos, ängstlich. Das erkennt auch Tony, der gutmütige, ehrliche Kerl mit dem weichem Gesicht, der sich nichts vormacht und direkt meint, Angèle würde nicht zu ihm passen und brauche sowieso besser jemanden aus der Stadt. Trotzdem bleibt sie sehr direkt und zudringlich. Nicht nur körperlich, sondern auch was das Zimmer bei Tony und den Job im Fischhandel der Familie angeht. Sie tut alles, um ihren Sohn wiederzubekommen, den sie zwei Jahre lang nicht gesehen hat. Sie spielt Hausfrau und nimmt Fische aus. Will sie auch die Fischer-Familie ausnehmen, die vor einem halben Jahr ihr Oberhaupt verloren hat? Tony weiß nicht, was er mit ihr anfangen soll, und macht das einzig richtige - distanziert bleiben. Er spielt den Unnahbaren, weil er weiß, dass sie ihn nicht liebt, sie spielt daraufhin eifersüchtig und so finden sie doch zueinander.

Irgendwann erkennt man: Tony kein einfältiger Fischer mit Motorrad, sondern ein ziemlich cooler Typ. Ebenso wandelt sich der Film - anfangs rätselt man ein wenig, erwartet Dramen. Später lacht Angèle immer mehr und der Zuschauer lächelt mit. Autorin und Regisseurin Alix Delaporte erzählt in ihrem Debüt angenehm reduziert, nicht nur was die Länge betrifft. Die großen Emotionen und das warme Piano tauchen erst auf, als Mutter und Sohn zusammen auf dem Fahrrad unterwegs sind. Es gibt ganz tolle Momente gerade wenn die Handlung ruht und nur die Stimmung zwischen den Personen eingefangen wird. Zum Gelingen dieses außergewöhnlichen und schönen Films tragen die bemerkenswerten Schauspieler bei: Clotilde Hesme fiel schon in „Der fliegende Händler", damals mit schwarzen Haaren, auf. Grégory Gadebois ist Mitglied der angesehenen Comédie Française. Es gelingt beiden, eine große Anziehung spüren zu lassen, auch wenn sie noch den richtigen Moment finden muss.