13.5.11

Cannes 2011 We need to talk about Kevin

Mutter eines Amokläufers

Diese Tour de Force machte Emily Browning (Baby Doll aus „Sucker Punch") für ein paar Stunden zur ersten Favoritin für den Darstellerpreis, bis Tilda Swinton ihr Mörder-Mutter-Martyrium in „We need to talk about Kevin" durchzog. Eingetaucht in zahllose Rotvarianten von der südländischen Tomatenernten-Orgie, bei der Swinton schon gekreuzigt erscheint, bis zu Tomatensuppen-Regalen und der von Nachbarn vollgeschmierten Hausfront. Eva hat etwas Böses getan - einen Amokläufer großgezogen. In einem manchmal euphorisierenden manchmal anstrengenden Fluss der Rot-Töne, Erinnerungen und Leidensmomente rekapituliert Eva von der Zeugung, über Zweifel in Schwangerschaft und auch sonst ihre durch ein veritables Monster immer überforderte Mutterschaft. Waren es Ballerspiele oder die Wasserpistole, mit der das Kind Kevin ihren privaten Raum voller Karten zerstörte, die zum Amoklauf führten? Genau einmal darf man dabei lachen, als zwei Mormonen auf die Frage von Evas Verbleib im Jenseits die überzeugte Antwort „Im ewigen Fegefeuer" erhalten. Das wird wohl dem Verhältnis von Drama und Komödie im Wettbewerb von Cannes entsprechen, doch die 1969 in Glasgow geborene Lynne Ramsay legt ihr in vieler Hinsicht packendes und Fragen aufwerfende Drama erschlagend an. Inhaltlich und formal. Am Ende gibt doch eine Umarmung. Sollen wir dem (happy?) Ending glauben oder erinnern wir uns an einen früheren Moment des hilflosen Kevins. Das war bislang das einzige Mal, dass sich der Junge etwas liebevoll zeigte. Kurz.