18.5.11

Cannes 2011 Lars von Triers MELANCHOLIA

Den Weltuntergang genießen

Dieses Filmfestival ist himmlisch! Nach dem heftig und immer weiter diskutieren Terrence Malick-Film „The Tree of Life" hebt auch Lars von Trier mit „Melancholia" in den Kosmos ab. Der zweite Wettbewerbsbeitrag mit deutscher Beteiligung - die Kölner Zentropa International war Koproduzent - macht direkt Eindruck: Wagner dräut, Vögel fallen Himmel, ein Breughel flammt auf, drei Monde leuchten über hyperreal ausgeleuchteten Zeitlupen unglaublicher Tableaus. Dieser galaktische Auftakt knallt derart rein, dass man mit dem Schöpfer in seinen eigenen Zweifel einstimmt: Ist das ein von Trier? Dann erdet sich der zweifache dänische Cannes-Sieger mit einer Hochzeit, die an Darsteller-Prominenz direkt Woody Allen Konkurrenz macht. Kirsten Dunst spielt die Braut Justine, als Schwester ist Charlotte Gainsbourg - in ihrer zweiten Rolle unter von Trier - die Hochzeitsplanerin Claire. Der Ort, ein luxuriöses Golf-Ressort, geleitet von Claires Mann John (Kiefer Sutherland). Noch leuchten alle Sterne an ihrem Platz, die einzige Katastrophe ist diese Feier, bei der sich das verzweifelte Lächeln der Braut als Lüge erweist und alle sie dafür angreifen. Erst im zweiten, „Claire" genannten Teil droht der neue Planet Melancholia, der sich bisher hinter der Sonne versteckte, die Erde zu verschlingen. Die Pferde sind unruhig, es hagelt am helllichten Tage, immer wieder klingt eine Wagner-Ouverture. Justine erwacht aus ihrer ständigen Müdigkeit, der rationale Mann John verabschiedet sich in den Pillentod, als es plantenmäßig echt eng wird, wahrscheinlich exakt „24" Stunden vor dem Ende. Im Totentanz der Planeten schwankt die Erde wie die Handkamera des Films. Nach einem schwesterlichen Kammerspiel schwingt sich die Weltuntergangs-Oper zum großen Finale auf.

Tatsächlich: Die Frauen-Version von „Armageddon" ist zwar aus der Perspektive der Menschheit ziemlich existenziell, aber die Frauen Triers kommen diesmal mit dem großen Vergehen ganz gut davon. Andere existenzialistische Kämpfe, die im Kino und beim Dreh einmalig schönen Schmerz bereiteten bleiben aus. Klar, irgendwann wird auch die eigene Depression relativ. Justine kommentiert, die Erde sei schlecht, niemand werde sie vermissen. Obwohl es auch um solche Film schade wäre, denn wenn dieser von Trier auch anders ist, wenn die Perspektiven und Bilder des Hubble-Teleskopes weg von der Erde wie bei Malick „nur" gewaltigen Genuss ohne konkretes Drama bieten, „Melancholia" bleibt großes Kino.