2.3.11

Eine Familie

Dänemark 2010 (En Familie) Regie: Pernille Fischer Christensen mit Jesper Christensen, Lene Maria Christensen, Pilou Asbæk, Anne Louise Hassing, Coco Hjardemaal 103 Min. FSK ab 12

Hinter dem unscheinbaren Titel „Eine Familie" verbirgt sich ein eindrucksvolles und tiefes Meisterwerk der Menschlichkeit und des Menschseins. „Eine Familie" könnte auch unscheinbar „Ein Leben" heißen. Oder der gefühlten Fülle des Films entsprechend „Das Leben". Die Dänin Pernille Fischer Christensen setzt mit diesem wunderbaren Film als internationale Newcomerin die Tradition ebenso bodenständiger wie lebenskluger Filme fort.

Eine dänische Familie feiert die Wiederkehr des Patriarchen Rikard Rheinwald (Jesper Christensen) nach erfolgreicher Chemotherapie. Viel Glück und strahlende Gesichter. Wir - mit der Kamera mittendrin - fühlen uns direkt ganz nah dabei. Rikard verkündet, dass er seine zweite Lebenspartnerin, die während der Krankheit an seiner Seite stand, heiraten wird. Doch mitten in der schönen, ausgelassenen Hochzeitsparty wirft ihn ein Schwindel zu Boden. Die Diagnose ist brutal: Ein Tumor im Kopf ist nicht operabel. Der baldige Tod ist unausweichlich. Heftige Veränderungen der Persönlichkeit und des Lebens sind zu erwarten.

Die große Persönlichkeit Rikard Rheinwald will sich nicht unterkriegen lassen. Entschlossen flieht er das Krankenhaus und lädt seine Lieblingstochter Ditte (Lene Maria Christensen), die Älteste, in seine große Brotfabrik. Sie soll den Traditionsbetrieb, der seit Generationen den Namen Rheinwald trägt und auch Könige beliefert, fortführen. Doch Ditte startete gerade froh gelaunt in eine neue Lebensphase: Eine Galerie in NY bot ihr einen Job an, der Freund wollte mit. Ein Wehmutstropfen lag in der Schwangerschaft, die nicht zum richtigen Zeitpunkt kam. Aber beide entschieden sich zusammen für das neue Abenteuer. Zwischen Vater und Tochter entsteht ein Zwist, das Familienoberhaupt wird durch die Krankheit herrisch, Ditte ist hin und her gerissen.

Die jüngere Tochter hat sich dagegen bereits von dem Vater abgelöst, kommt nicht für die Firma in Frage. Die Kinder aus zweiter Ehe sind noch klein und erschreckend indifferent gegenüber dem schwächeren alten Mann. Auch sie müssen lernen, mit Krankheit umzugehen. Ihre Mutter emanzipiert sich ausgerechnet jetzt, will den Leidenden mit seinen An- und Ausfällen nicht im Haus haben.. 

Es ist faszinierend, wie jede Figur dieser Familie ihre eigene Entwicklung mitmacht. Diese „Familie" ist dabei - wie es skandinavische Film so ausgezeichnet können - lebensecht, glaubwürdig, erdig, direkt zum Anfassen. Dazu atemberaubend gut gespielt. Veränderungen der Gefühlslagen kommen in den scheinbar einfachen Bildkompositionen (Kamera: Jakob Ihre) sehr wirkungsvoll rüber. Obwohl Pernille Fischer Christensen ohne laute Töne, ja fast ganz ohne Musik (Sebastian Öberg) und vor allem ohne konventionellen (Hollywood-) Kitsch arbeitet. „Eine Familie" ist kein Melodram und doch bis zum schmerzlich schönen letzten Atemzug tief berührend.