28.3.11

Winter's Bone

USA 2010 (Winter's Bone) Regie: Debra Granik mit Jennifer Lawrence, John Hawkes, Kevin Breznahan, Dale Dickey 100 Min. FSK ab 12

Willkommen in den USA, dem Land der ungenutzten Möglichkeiten, dem echten Amerika, das zwischen L.A. und New York liegt. Hier in Missouri leben die Menschen, die Bush gewählt haben. Gut geht es ihnen deshalb nicht wirklich. In einer elenden Nachbarschaft wird jeder Fremde verdächtigt, und fremd sind schon die vom nächsten Hof. Selbst wenn sie irgendwie auch Familie sind. Hier haust das junge Mädchen Ree (Jennifer Lawrence) mit ihren kleinen Geschwistern in einer ärmlicher Hütte. Die Mutter ist ein Pflegefall, der Vater Jessup muss in einer Woche wieder mal vor Gericht erscheinen. Eigentlich sein Problem, aber als Kaution hat der verschwundene Wiederholungstäter Haus und Hof der Familie eingesetzt. Ree, die sowieso die kleine Farm schmeißt, muss nun auch ihren Vater innerhalb einer Woche auftreiben.

Ihre Fragen an Nachbarn und Verwandte ernten heftigste Ablehnung, die schließlich sogar gewalttätig wird. Rees Schwester würde helfen, doch der Schwager verleiht seinen Pickup nicht. Der Onkel Teardrop (John Hawkes) ist eher Bedrohung als Unterstützung. Selbst Geschwister gehen hier nicht besonders nett oder sanft miteinander um. Doch Ree fragt weiter - furchtlos, entschlossen, oder hat sie einfach keine andere Wahl? Ree erinnert an die Lütticher „Rosetta" der Dardennes oder auch an die 14-jährige Mattie Ross aus „True Grit" der Coens.

So etwas hieße in Italien Neorealismus, in den USA nennt man die hier porträtierten Leute geringschätzig „White Trash", weißer Abschaum. In diesen US-amerikanischen Schulen lernen die Teenager, Babys richtig zu halten und das Gewehr im Gleichschritt zu schultern. Ree lehrt ihre Geschwister mit dem Gewehr für Eichhörnchen schießen. Hier tummeln sich haufenweise Machos mit rekordverdächtig niedrigem IQ und extrem rücksichtslosem Verhalten gegenüber ihren Mitmenschen. So ungepflegt wie ihre Aussprache sind Bekleidung und Sitten. Der Country ist die passende Musik dazu. Doch das Gezupfe, das oft als Auswurf solch furchtbarer Gegenden gering geschätzt wird, wirkt hier wie wärmendes Herdfeuer,

Damit noch nicht genug des Elends, die Haupteinkommensquelle scheint das „Kochen" von Crystal Meth zu sein. Das „Crank", wie es hier genannt wird, verstärkt die Aggressivität. Angeblich soll auch Jessup mit so einem illegalen Labor in die Luft geflogen sein. Ree durchschaut jedoch diese falsche Spur. Angesichts dieser besonderen Exemplare der Gattung Kotzbrocken bleibt den Frauen nichts anderes als eine heimliche Solidarität. Scheinbar, denn letztendlich verteidigen die Weibchen erschreckend brutal ihren Clan ebenso wie die schon immer abschreckenden Leithammel.

Die Landschaft ist ähnlich karg wie der Film selbst, die Temperatur eisig wie der Umgang. Trotzdem fesselt diese Trostlosigkeit. Das liegt zum einen am Spiel von Jennifer Lawrence als, die für den Oscar nominiert war. Und auch an der Aufrichtigkeit des Films. Das Drehbuch entstand nach dem gleichnamigen Roman von Daniel Woodrell, der selbst  in Missouri, in solch einer Umgebung gelebt hat. Gedreht wurde an authentischen Orten mit vielen Laiendarstellern, was man dem Film überhaupt nicht anmerkt.

Der eindringliche „Winter's Bone" zeigt keine kriminalistische, keine spannende Suche. Der Blick liegt auf der suchenden Ree, die fast noch Baby-Speck im Gesicht trägt, aber sich sogar die Hochachtung des gnadenlosen Kopfgeldjägers erwirbt. Dafür muss sie eine grausige Entdeckung machen und wir erleben, wie sich Menschenverachtung noch unter Null versenken lässt. Am Ende hat Ree die Farm zurück gewonnen und die Anerkennung der Gegend. Eine Flucht aus der menschenfeindlichen Tristesse steht nicht auf dem Programm.

Unter dir die Stadt

Frankreich, BRD 2010 (Unter dir die Stadt) Regie: Christoph Hochhäusler mit Robert Hunger-Buhler, Nicolette Krebitz, Mark Waschke 105 Min.

Es scheint eine klassische Affäre zu werden: Die unkonventionelle Kreative Svenja Steve (Nicolette Krebitz) landet mit dem neuen Job ihres Freundes Oliver im Frankfurter Bankenmilieu. Ihre Nikotinsucht führt zu einer zufälligen Begegnung mit Olivers Chef Roland Cordes (Robert Hunger-Bühler). Der Banker des Jahres will eine Affäre und befördert Svenjas Mann deshalb auf einen lebensgefährlichen Posten in Indonesien. Ein aufreizendes Machtspiel mit Lebenslügen und Täuschungen beginnt, bei dem die junge Frau dem berufsmäßigen Manipulator keineswegs unterlegen ist.

Svenja ist eine Revoluzzerin. Rebellisch und so mutig, dass sie sogar ihrem Freund in den verachteten Banker-Job folgt. Eine junge verrückte Frau - genau was so ein verknöcherter Banker braucht, denkt man schnell. Doch Svenja ist imprägniert gegen die Verführungen von Macht und Karriere. Sie gibt sich selbst im eigens gemieteten Hotelzimmer noch desinteressiert. Cordes' Ränkespiele, seine Lügen und Täuschungen werden dagegen immer krasser. Ebenso wächst beim Zuschauen das Entsetzen angesichts der Unverfrorenheit dieses Anzugträgers. Zu den heftigsten, ja gar lynch-artigen Momenten gehört der sadistische Voyeurismus von Cordes, der gegen Bezahlung runtergekommenen Junkies zusieht, wie die sich einen Schuss setzen. Genau wie bei der erfundenen Legende einer eigenen Kindheit in schäbiger Mietswohnung, kann der Banker sich Menschliches nur mit besonders perversen Verrenkungen aneignen.

„Unter dir die Stadt" kann man als Kommentar zu Heuschrecken und Ackermännern lesen. Diese Menschen sagen beim fotografiert werden nicht „cheese" sondern „greed". Und die Gier des Cordes ist maßlos. Auch wenn er im Umgang mit den Konsequenzen seiner Handlungen überrascht. Der Film ist aber auch ein eiskaltes Psycho-Drama mit faszinierend genauen Einblicken in Funktionen und Deformationen der begehrenden Psyche. Der studierte Architekt und Filmemacher Hochhäusler („Milchwald", „Falscher Bekenner") arbeitet mit Räumen. Wer tut das nicht, kann man fragen, doch Hochhäusler situiert Svenja sehr exakt beim Einzug und der Neueinrichtung einer gemeinsamen Wohnung. Die abgehobenen Spiegel-Türme der Frankfurter Banker mit ihren undurchdringlichen Fassaden sind eigentlich auch Klischee, aber selbst den Hochhäusern gewinnt Hochhäusler noch einiges an Kälte ab. Die wiederkehrenden Blicke von oben auf Passanten, die Kirche und den ganzen Rest der Welt lassen Kälte förmlich spüren. Dazu passt ein extrem irritierender Soundtrack, der immer wieder Hintergrundgeräusche in Musik übergehen lässt.

Grandios dabei die Hauptdarsteller: Der vom Theater kommende Robert Hunger-Bühler ist noch ein recht unbekanntes Kinogesicht, das sich aber als Cordes nachhaltig einprägt. Nicolette Krebitz verbindet in Svenja wieder wie in vielen anderen Rollen (und ihren eigenen Filmen) starke Emotionalität mit großer Intelligenz, Zerbrechlichkeit mit enormen Durchsetzungsvermögen. Die Exaktheit dieser Figuren und der genauen Konstruktion von Hochhäusler wird schnell übersehen, denn der allerletzte Schlusspunkt ist nur noch surreal: Noch ein Blick von oben auf die Straßen mit panisch rennenden Passanten und der Kommentar: Es geht los!

Spannend kühl inszeniert Christoph Hochhäusler die Affäre eines Frankfurter Bankers mit der Frau eines Angestellten in „Unter dir die Stadt". Aus einer zufälligen Begegnung wird ein Beziehungs- und Machtkampf mit überraschenden Verhältnissen. Der Cannes-Starter der Kölner „Heimatfilm" ist kluges Kopfkino und vermittelt in einem überzeugenden ästhetischen Konzept die Skrupellosigkeit abgehobener Machtmenschen auch emotional.


Sucker Punch

USA,Kanada 2011 (Sucker Punch) Regie: Zack Snyder mit Emily Browning, Abbie Cornish, Jena Malone, Vanessa Carla Gugino, 110 Min.

Bitter-süßer Pulp

Wenn Quentin Tarantino frontal mit dem „Tank Girl" zusammenkracht und Baz Luhrman das alles durch seine Rote Mühle dreht... „Sucker Punch" ist ein gewaltiger Action-Clip von Zack Snyder, ein postmodernes Kinospektakel, bei dem einem Zitate, Zeiten und Fetzen um die Ohren fliegen. Die Geschichte einer Kind-Frau im Sumpf ausbeuterischer Männer-Anstalten kommt da fast zu kurz, dies ist Kino-Kampf-Sport in Reizwäsche. Moral ist längst von Weltkriegs-Panzern, Mittelerden-Orks oder Mittelalter-Drachen plattgemacht worden.

„Sweet Dreams" bilden die einzige Fluchtmöglichkeit für Baby Doll (Emily Browning). Aber bei einem Mädchen, das Vergewaltigung durch den Stiefvater miterlebt hat und von diesem auch noch in eine schmierige Nervenheilanstalt abgeschoben wird, sind Träume niemals süß. Die farblose Klapse erweist sich als Bordell, in dem die jungen Patientinnen ihren ekligen Freiern mit Tanzvorführungen einheizen sollen. Der südländische Pfleger Mr. Pleasant (Oscar Isaac) gibt den brutalen Zuhälter Blue, der gerne Jungfrauen zu besonders hohen Preisen verkauft. Baby Doll denkt auch hier nur an Flucht. Überraschenderweise bietet ihr ausgerechnet der Anmach-Tanz - den wir nie sehen - einen Ausweg: Damit hypnotisiert das Mädel im Schulmädchen-Anzug die Zuschauer und versetzt sich selbst in eine fantastische Action-Welt. Hier, im alten Japan, im futuristischen 1. Weltkrieg oder in einer Fantasy-Welt mit Drachen und Orks, muss sie vier Gegenstände erobern. Ihre Mitgefangenen mit den Porno-Namen Sweet Pea, Rocket, Blondie und Amber kämpfen an ihrer Seite. Im Stile von „Charlie's Angels" voller Adrenalin und nicht mehr jugendfrei. Während diese pralle und eindrucksvolle Action sorgen- und sinnfreien Spaß bietet, ist sie auch die einzige der drei Erzählebenen, in der sich die jungen Frauen wehren können. In den realeren Realitäten ist der Kampf ein wirklich düsterer.

Ein heftiger Punch aus Drama und Musik eröffnet diese bitter-süße Kino-Attacke. Wie auch später bei Baby Dolls Traumwelt-Actiontänzen ein starker, mitreißender Video-Clip, bei dem die Song-Länge die Szene bestimmt. Besonders kraftvoll dröhnt Björks Army of me". Kraftvoll und im Text passend: „Wenn du dich noch einmal beschwerst, bekommst du es mit einer ganzen Armee von mir zu tun!" Leider folgt der Film nicht der Frauen-Power der Songs. Diese süßen Punch-Girls sind keine Rebellinnen wie das „Tank Girl" im Film von Rachel Talalay. Sie bleiben Opfer, egal wie viele Zombie-Soldaten oder spiegelnde C-3PO-Imitate umgebracht werden. Ihr einziger Wunsch bleibt, wieder nach Hause zu können, was letztlich auch nur eine Illusion ist, wie das letzte Bild mit der Vogelscheuche aus „Zauberer von Oz" zeigt. Der wirkliche Held, der Retter oder Engel ist Scott Glenn als Wiedergeburt von Tarantinos (Kill)Bill.

Die Zitate-Galerie bedient sich ausführlich bei „Brasil", „Moulin Rouge", bei „Herr der Ringe" und vielem anderen mehr. Zack Snyder erweist sich als Guttenberg der Filmregisseure, erschafft aber etwas Eigenes, das mehr Pulp ist als Tarantinos gesammeltes „Pulp Fiction". Aber genauso überwältigend wie die zahlreichen Verweise sind die Bilder und Töne. Wenn ein kriegerisches, rosa Pokemon über die Leichengräben von Verdun hüpft, das ist filmische Fantasie in seiner wildesten Form. Und absolut sehenswert.

Snyder muss nach so unterschiedlichen Filmen wie „Die Legende der Wächter" (2010), „Watchmen - Die Wächter" (2009), „300" (2006) und sogar einem Video-Clip für „Morrissey" auf jeden Fall als ein hochtalentierter Filmemacher angesehen werden, der auch in verschiedensten Genres bemerkenswerte Fingerabdrücke hinterlässt. Auf seinen „Superman: Man of Steel", der 2012 in die Kinos kommt, darf man gespannt sein.


23.3.11

In einer besseren Welt

Dänemark,Schweden 2010 (Hævnen) Regie: Susanne Bier mit Mikael Persbrandt, Trine Dyrholm, Ulrich Thomsen, Markus Rygaard  117 Min. FSK ab 12

Der aktuelle Oscar-Gewinner „In einer besseren Welt" verbindet eine Familiengeschichte mit der Problematik von Gewalt und der schwierigen Reaktion darauf. Die ausgezeichnete dänische Regisseurin Susanne Bier („Brothers", „Nach der Hochzeit", „Open Hearts") und ihr vertrauter Autor Anders Thomas Jensen spannen den Bogen ihrer intensiven Geschichte von einer zerfallenden Kernfamilie bis zur großen Politik, vom Mobbing in der Schule bis zu afrikanischen Warlords. Exzellent gespielt, wirkt „In einer besseren Welt" gleichzeitig berührend und klug differenzierend.

Während sein Vater Anton (Mikael Persbrandt) in einem afrikanischen Flüchtlingslager als Arzt operiert, muss sich Elias (Markus Rygaard) in der dänischen Schule von einem „Bully" und seinem Anhang quälen lassen.  So grausam dieses Mobbing ist, so brutal ist die Gegenwehr des neuen Mitschülers Christian (William Jøhnk Nielsen) mit Eisenstange und Messer. Die beiden werden Freunde und finden sich im gemeinsamen Leiden: Christian hat seine Mutter an den Krebs verloren, Elias kommt nicht mit der drohenden Scheidung der Eltern zurecht.

Anton und Marianne (Trine Dyrholm) können nur noch am Telefon miteinander reden, selbst wenn er in Dänemark ist, wo er übrigens auch immer draußen in der Natur sitzt. Anton ist ein bemerkenswerter Mann und als ihn auf dem Spielplatz ein dumpfer Grobian ohrfeigt, verhält er sich noch seltsamer als sonst. Er sucht den Automechaniker auf und hält ganz konkret auch die andere Wange hin. Eine erstaunlich gelassene und souveräne Reaktion gegenüber einem adrenalin-gesteuerten Gewaltmenschen. Ob die gerade mal zehnjährigen Jungs, die Anton zu dieser pazifistischen Demonstration mitgenommen hat, es verstehen, ist fraglich. Aber er macht Eindruck.

Eine ganz andere Situation erwartet den stoischen Arzt im Flüchtlingslager, als ein Milizenführer mit fast verfaultem Bein eingeliefert wird und seine Schergen Angst und Schrecken verbreiten. Anton weißt die Bewaffneten vor das Tor, behandelt aber zum Entsetzen seiner einheimischen Mitarbeiter „Big Man", der dafür berüchtigt ist, Schwangeren den Bauch aufzuschneiden. Dieser mutigen Haltung, die später noch einmal herausgefordert wird, steht eine Gewalttat des Halbwaisen Christian gegenüber. Er will dem Mechaniker seine Grenzen aufweisen - mit Sprengstoff!

Auch wenn die Kritik die letzten zehn harmonischen Minuten „In einer besseren Welt" bemängeln, dieser großartige Film reflektiert den Umgang mit Gewalt vom familiären Kreis bis zur Weltpolitik facettenreich und bietet bei vielen Gedankenanstößen keine einfache Lösung. Exzellente Schauspieler sorgen dafür, dass die lebendigen Figuren mitfühlen lassen. In sehr schönen, handlungsfreien Bildstrecken schenkt der Film Ruhe, als hielte die Natur den Atem an, um zu schauen, wie sich diese kleinen Wesen in ihr verhalten. So wie wir den Ameisen zusehen. Die meisterliche Montage mit gleitenden Übergängen von Dänemark nach Afrika zeigt unsere Erde als eine zusammenhängende Welt. Das goldbraun abgeerntete Feld könnte auch Savanne sein. Hier wie dort kann das persönliche Handeln über einen Flächenbrand der Gewalt entscheiden.

22.3.11

Filmreihe Hyper-Real im Aachener Ludwig Forum

Im Rahmen der faszinierenden Ausstellung „Hyper Real - Kunst und Amerika um 1970", der „künstlerische Reflexion des American Way of Life im Kontext gesellschaftspolitischer Entwicklungen" laufen ab heute im Aachener Ludwig Forum jeden Donnerstag zeitgenössische Filme und Werke, die einen Bezug zur themasierten Zeit haben. Von Kubricks „2001 - Odyssee im Weltraum" (24.3.) aus dem Jahre 1968 bis zur Errol Morris' Dokumentation über Robert McNamara, „The Fog of War" (2.6.) aus 2003, reicht die Spannweite. Zu den 13 Filmen, die von DVD kommen und nicht in Kinoqualität projiziert werden, gehören geniale Zeitstimmungen wie „American Graffiti" (USA 1973, Regie: George „Star Wars" Lucas, 19.5.), Kriegs-Anklagen wie „Platoon" (UK/USA 1986, Regie: Oliver Stone, 21.4.) und „Full Metal Jacket" (UK/USA 1987, Regie: Stanley Kubrick, Do 9.6.) sowie - ungemein aktuell - die Warnung vor den Gefahren der Atomkraft in „Das China-Syndrom" (USA 1979, Regie: James Bridges, Do 26.5.). Eine gut ausgewählte Reihe, die auch bei großen Festivals laufen könnte, in Aachen aber leider unter Wert vorgeführt wird. (23.3.-10.6. immer um 20 Uhr im Space, im Kino des Ludwig Forum, Aachen) 


The Roommate

USA 2011 (The Roommate) Regie: Christian E. Christiansen mit Leighton Meester, Minka Kelly, Cam Gigandet 91 Min. FSK ab 16 Jahre

Wer "Weiblich, ledig, jung sucht ..." noch kennt, weiß dass eine billige und schlechte Kopie dieses sehr spannenden, 19 Jahre alten Thrillers von Barbet Schroeder nicht ohne Hohn ist. Geht es doch in dem bösen Psycho-Spiel zwischen Bridget Fonda und Jennifer Jason Leigh gerade um eine Mitbewohnerin, die im umgekehrten Vertigo ihrem Idol immer ähnlicher wurde. Eine mörderische Kopie. „The Roommate" hingegen ist das tödlich langweilige Plagiat, das auf ein ahnungsloses Publikum hofft.

Diesmal will die College-Studentin Rebecca allerbeste Freundin und auch ganz genau so werden wie ihre Mitbewohnerin Sara. Dafür ermordet sie eine vermeintliche Freundschafts-Konkurrentin und spült sogar ein Kätzchen in der Waschmaschine weich. Irgendwann merkt Sara, dass sie in einem ganz bösen Film ist...

Statt Bridget Fonda und Jennifer Jason Leigh spielen nun Leighton Meester, Minka Kelly und Cam Gigandet. Namen, die man höchstens von TV-Serien kennt. Gegen den Thriller spricht auch schon die Altersausrichtung für den amerikanischen Markt: Alles soll noch für 13-Jährige kompatibel sein. Bei uns ist er „ab 16" und für niemanden empfehlenswert.

Gnomeo und Julia

USA/Großbritannien 2011 (Gnomeo & Juliet) Regie: Kelly Asbury 84 Min. FSK ab 6

Kaum sind die zerstrittenen Haushälter namens Montague und Capulet aus dem Haus, da kommen ihre Gartenzwerge groß in Fahrt und führen den Streit der neidigen Gärtner weiter. Die kultivierten Blauen verachten die ungebildeten Roten. Ab und zu schlüpft einer durch den Zaun, um die Blumen in Nachbars Garten umzuknicken. Die jungen Wilden liefern sich in der Gasse namens Verona Drive heiße Rennen mit den Rasenmähern. Der Held heißt diesmal nicht James Dean sondern Gnomeo. Als Sohn der Blauen Königin tragen seine tönernen Muskeln viel Verantwortung und Bewunderung. Die rote Julia hingegen ist um die Schönheit der Grünkultur besorgt. Beim Ergattern einer schönen Orchidee im verlassenen Garten der Nachbarschaft treffen sich Gnomeo und Julia in einem wunderschönen Liebesduett! Denn hier handelt es sich um ganz gewöhnliche, sprechende, laufende und raufende Gartenzwerge mit einer ganz außergewöhnlichen Besonderheit: Sie singen dauernd kitschige Elton John-Lieder!

Es kommt, wie Shakespeare es von seinem steinernen Podest voraussagt: Diese Liebe endet - vorläufig - tragisch, denn Gnomeos kleine und kleingeistige Verwandtschaft denkt immer noch „Lieber tot als rot!" „Gnomeo und Julia", dieser tolle Zeichentrick-Spaß für Kinder und Erwachsene, löst sich weitgehend von Shakespeares Original ohne dabei auf tönernen Füßen zu stehen. Oder ich habe vergessen, welche Rolle der rosa Plastikflamingo mit südländischem Akzent beim britischen Barden spielt. Trotzdem kommen eine Menge Zitate vor und der Bus, der Gnomeo entführt, fährt selbstverständlich nach Stratford-upon-Avon. Doch aus welchem Königsdrama stammt noch mal der Rasenmäher namens „Terra minator"? Oder erwuchs er wie andere Szenen eher aus „Tiger & Dragon" und „Braveheart"? Die Lieder, angefangen beim „Crocodile Rock", sind jedenfalls eindeutig vom modernen Barden Sir Elton, der auch ausführender Produzent der verrückten und überkandidelten Garten-Party war. Dabei behalten die einzelnen Gartenzwerge sehr nett im animierten Zustand ihre beschränkte Identität. Weitere Grün-Ausstattung füllt die „Dramatis personae" humorvoll an: Ein Plastik-Frosch gibt die Amme Julias. It's mehr then a little bit funny, dieser größte Gartenzwerg-Film der Welt. Er braucht übrigens kein 3D, um riesig - Verzeihung: zwergig Spaß zu machen. 

Der letzte Tempelritter

USA 2010 (Season Of The Witch) Regie: Dominic Sena mit Nicolas Cage, Ron Perlman, Claire Foy, Ulrich Thomsen, Christopher Lee  95 Min. FSK ab 16

Schon 1332 machten gedankenlose Soldaten den Mörder im Namen irgendeines Gottes. 1333, 1334 usw., Jahr um Jahr morden die Kreuzritter weiter. Der Dienst dauert viel länger, als vereinbart. Ein versprochener Abzug lässt auf sich warten. Irgendwann mitten im Gemetzel öffnet Behmen (Nicolas Cage) die Augen und erkennt, dass er gerade eine junge Frau auf seinem Schwert ersticht. Das schreit nach Sühne. Wieso - nach langer Reise in Österreich gelandet - nicht eine junge Frau, die der Hexerei verdächtigt wird, retten? Was Sinnvolleres konnte man im Mittelalter scheinbar nicht mit seinem schlechten Gewissen anfangen. Aber auch anderes ist abwegig in diesem Film: Hier gibt es tatsächlich Hexen, die Steiermark liegt am Meer und der Teufel ist wieder mal kein Eichhörnchen sondern ein übertriebenes Monster aus der digitalen Trickkiste.

Inmitten einer pestgeplagten Landschaft zieht Behmen los, das Mädchen im Käfig und begleitet von seinem Kumpel Felson (Ron Perlman), dem Ritter Ekhart (Ulrich Thomsen), einem Mönch, einem Dieb und einem Praktikanten. Das hört sich schon viel interessanter an, als es letztlich wird: Beim langen Ritt durch ausführlich abgefilmte Berge und Wälder sterben einige der Gefährten, am Reiseziel, einem Kloster, liegen nur noch Leichen und jetzt kann sich Behmen endlich mit einem digitalen Monster prügeln.

Die erste Enttäuschung ist der Filmtitel, der sich von der Hexen-Saison im Englischen zum sinnentfremdeten Kreuzritter im Deutschen wandelt - DAS ist das Letzte! Nicolas Cage trägt wieder langes, lockiges Haar durch die Landschaft und schaut vertraut ernst in dieselbe. Es gibt etwas Action, ein paar Gruselszenen, Wölfe mit einem Lemming-Gen, die den Reisenden direkt ins Schwert springen, und andauerndes Kopfschütteln über diese einfältige „Âventiure". Die mittelalterliche Erzähl-Formel erweist sich - trotz teurer Kulissen und auch wegen unerträglich dick aufgetragener Musik - vor allem für das Publikum als Bewährung. Ganz entfernt winken Polanskis „Die neun Pforten" herüber, aber da konnte man sich von echten Hexen noch verzaubern lassen.

Das Schmuckstück

Frankreich 2010 (Potiche) Regie: François Ozon mit Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fabrice Luchini, Karin Viard, Judith Godrèche 103 Min.

Eine französische Screwball-Komödie mit Catherine Deneuve und Gérard Depardieu. Wie toll! Nun muss man den Jüngeren vielleicht erklären, was eine Srewball-Komödie ist, eventuell auch, wer Deneuve und Depardieu sind. Dass dieses cineastische „Schmuckstück" von François Ozon ist, macht den Spaß noch etwas spezieller...

Fabrice Luchini spielt wie schon bei „Les femmes du 6ème étage" wieder den Boss, der Probleme mit Frau und Personal hat. Diesmal ist seine Figur Robert Pujol allerdings ein ausgesuchtes Ekel. Voll die 70er kommt er mit einem Kofferradio in der Hand die Treppe herunter und motzt: Madame Pujol (Catherine Deneuve) soll keine Fragen stellen, soll kein Frühstück machen, soll nur Madame Pujol sein. Ein Schmuckstück - eine „Potiche", eine Ziervase. Wenn man sie in der Anfangsszene selig in lieblicher Natur joggen sieht oder wenn sie - wieder farblich perfekt mit der Umgebung abgestimmt - in der Küche ein Liedchen trällert, dann scheint ihr diese Roll zu passen.

Doch ein Streik seiner Arbeiter fällt den galligen Pujol per Herzattacke. Nun übernimmt Suzanne Pujol, die Tochter des Firmengründers, wieder die Führung der Regenschirm-Fabrik. Sie macht sich nur noch etwas frisch - die Kleidungsfrage ist ebenso wichtig wie die Klassen-Frage - und tritt mit Pelz und Perlen den Gewerkschaftsvertretern gegenüber. Während der Gatte in Anlehnung an Sarkozy meint, „wenn die Arbeiter mehr Geld wollen, sollen sie mehr arbeiten", verständigt sich Madame Pujol mit allen. Sogar mit der Sekretärin, die nur zu gerne die Rolle der Ehefrau übernehmen würde und auch mit intimen Handreichungen vertraut ist. Tochter und Sohn Pujol sollen endlich in der Firma mitarbeiten. Der kunstsinnige, unübersehbar schwule Sohn lässt sich einspannen und entwirft herrlich poppige Regenschirm-Designs. Mit dem kommunistischen Bürgermeister Maurice Babin (Gérard Depardieu) zieht Suzanne in die anrüchige Bordell-Disko, die dem holden Gatten immer für „Geschäftsgespräche" diente. Hier lebt die Affäre wieder auf, die Suzanne und Maurice kurz vor ihrer Hochzeit hatten. Nach einigen Monaten unter der Führung von Madame Pujol blüht auch die Regenschirm-Produktion auf, doch dann kehrt der erholte Herr Pujol von seiner Kreuzfahrt zurück. Er ist jetzt das „Potiche", das Schmuckstück, und muss zuhause Hausfrauen-Sendung schauen. Im Streit um die Herrschaft über die Firma gewinnt er mit fiesen Tricks, doch Suzanne Pujol will jetzt gleich in die Politik: Wenn ich bisher den Haushalt und die Firma Pujol aufräumen konnte, dann werde ich auch das Land aufräumen...

Srewball war der vom rasanten Wortwitz angetriebene Komödien-Spaß aus dem Hollywood der 50er-Jahre. Die Figuren waren gut situiert und seltsam - das passt zu den Pujols. Auch an vielen anderen Ecken ist „Das Schmuckstück" Zitat und ein Vergnügen für Cineasten, angefangen mit der wunderschönen Idee, die Deneuve, die mit „Die Regenschirme von Cherbourg" vor 46 Jahren berühmt wurde, wieder ins Regenschirmgeschäft einsteigen zu lassen. Und das mit einer völlig verspielten Fabrikation, künstlich wie Willi Wonkas Schokoladenfabrik. „Das Schmuckstück" schmückt die Karriere der Deneuve vortrefflich: Traumhaft, wie sie morgens beim Joggen die Rehlein, die Täubchen und die rammelnden Häschen begrüßt. Solch kitschig-verrückte Szenen macht François Ozon kaum jemand nach. Auch die Lied-Einlagen nicht, die vor allem als Hommage an die große Zeit des Hollywood und des französischen Musicals gedacht sind. In der schönsten Verbindung beider, in „Die Mädchen von Rochefort", spielte, sang und tanzte Catherine Deneuve mit Gene Kelly die Hauptrolle. Da gibt es selbstverständlich auch jetzt eine typische Gruppentanz-Einlage, wie in Ozons etwas weniger lieblichen „Tropfen auf heiße Steine" und in seinem Erfolg „8 Frauen".

Fabrice Luchini erweist sich in „Das Schmuckstück" wieder als großartiger Komiker. (Während das weitere Casting eine gewisse Verachtung für die Arbeiterklasse zeigt.) Deneuve macht mit Ausstrahlung wett, was ihr an Tempo fehlt. Ihr gebührt auch die letzte große Ozon-Szene: Suzanne Pujol beendet ihre Siegesrede mit einem Chanson, „C'est beau la vie"! Diese nette Komödie ist auf jeden Fall schön.

16.3.11

I Shot my Love

Israel, BRD 2010 Regie: Tomer Heymann 70 Min.

Eine Familiengeschichte, eine Liebesgeschichte und eine über jüdisch-deutsche Verhältnisse heute. Die tolle Dokumentation mit dem nicht martialisch gemeinten Titel „I Shot my Love" fängt auf sehr persönliche Weise eine Vielfalt von Themen ein: Die Mutter schenkte Tomer Heymann die erste Kamera, er wurde filmverrückt, nahm alles auf und Jahre später stehen die beiden Israelis zusammen bei der Berlinale auf der Bühne. Später lernt Tomer im Berlin den deutschen Andreas kennen. Der verliebte junge Künstler reist bald nach Tel Aviv. Selbst bei der sehr emotionalen Umarmung am Flughafen bleibt die Kamera in der Hand und ist auch ansonsten immer dabei. Mit der Mutter in der Wohnung, mit dem Geliebten unter der Dusche, wenn dieser Brecht singt.

„I Shot my Love" balanciert auf scheinbar beiläufige Weise verschiedene Aspekte seines Lebens und ist nie monothematisch wie viele israelische Dokumentationen aus der Generation der Nachgeborenen. Die sehr vielschichtige Dokumentation zeigt mehr Gefühl und Wahrheit, als die meisten Spielfilme.

The Rite - Das Ritual

USA 2010 (The Rite) Regie: Mikael Håfström mit Anthony Hopkins, Colin O'Donoghue, Rutger Hauer 114 Min.

Ein junger Mann, der eigentlich nicht Priester werden will, erfährt, dass er Hundertausende an Studienkosten zurückzahlen muss, falls er fahnenflüchtig wird. Michael Kovak (Colin O'Donoghue) könne aber auch in Rom an einem ganz speziellen Priester-Seminar teilnehmen, schlägt sein spiritueller Doktorvater vor. Dort sieht Michael ein Best off aller möglichen Exorzisten-Filme und wird gründlich an das Thema rangeführt, das ihm sehr suspekt ist. Ein Praktikum bei Pater Lucas (Anthony Hopkins), der mit allen Weihwassern gewaschen scheint, präsentiert ihm ein schwangeres italienisches Mädchen, das vom Vater vergewaltigt wurde, als erste und dann chronische Patientin. Das Power-Beten mit Kreuz-Schwingen stellt eine Prüfung für den ungläubigen Michael dar, denn: Wenn er nicht an Gott glaubt, wieso dann an den Teufel? Allerdings ist so ein moderner Mensch auch eine Herausforderung für Beelzebub und dieser bemüht sich redlich mit dem üblichen Kopfverdrehen, Adern-Anschwellen und Fingernägel-Kratzen überzeugend zu wirken.

Auch das übliche Exorzisten-„Ritual" bemüht sich relativ geschickt, selbst die am Kult des Horrors Ungläubigen zu packen. Da hilft die Vorlage zum Film, Matt Baglios „Die Schule der Exorzisten: Eine Reportage" ist der Bericht eines Priesters, der die Exorzisten-Abteilung des Vatikans durchlebt hat, ebenso wie die skeptische Grundhaltung des Protagonisten. Die nachvollziehbare Frage, ob es sich nicht einfach um Schizophrenie handelt, nimmt auch einige verständliche Einwände vorweg. Und verweist auf den einzig im Wortsinne „vernünftigen" Exorzisten-Film: Hans-Christian Schmids „Requiem" mit Sandra Hüller als Getriebene und Verfolgte. Doch der beste Trick des Films ist Anthony Hopkins. Dieser großartige Schauspieler könnte einem auch glauben machen, dass die Erde eine Scheibe oder unsere Atomkraftwerke sicher sind. Dabei kann sich seine Figur erlauben, mitten im Exorzismus ein Telefongespräch anzunehmen! Stand nicht in der Gebrauchsanleitung „nicht am Steuer oder bei Teufelsaustreibung benutzen"? Derweil behauptet die Musik dauernd Spannung, die in Bild und Handlung noch lange nicht auftauchen. Es gibt spannendere, mit mehr Schrecken beseelte, aber auch viele simplere Exemplare dieser teuflischen Filmgattung. Trotzdem bleibt auch dieser Fall unwesentlich wie eine Geisterbahnfahrt.

15.3.11

Onkel Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben

Thailand, Großbritannien, BRD, Frankreich, Spanien 2010 (Uncle Boonmee who can recall his past Lives) Regie: Apichatpong Weerasethakul 113 Min. FSK ab 16 OmU

Der bejubelte Gewinner der Goldenen Palme von Cannes 2010 „Onkel Boonmee erinnert sich an seine früheren Leben" ist ein seltenes Erlebnis in deutschen Kinos. Zwar ist der Thailänder Apichatpong Weerasethakul (man darf ihn auch einfach „Joe" nennen) nicht nur ein anerkannter Regisseur und Bildender Künstler, doch schon seinen letzten Cannes- Beitrag „Tropical Malady" verschliefen 2005 nicht nur viele Kritiker, in Deutschland sahen ihn nach dem Start nur 4.000 Menschen.

Onkel Boonmee ist schwer krank, mitten in der Natur bereitet er sich auf den Tod vor. Die Besuche von Angehörigen und Freunden sind in dieser Situation üblich. Bei Weerasethakul tauchen allerdings auch schon verstorbene Personen aus Boonmees Leben auf. In menschlicher und tierischer Gestalt. Mit der wunderbarsten Selbstverständlichkeit. Zwischendurch erzählt der Film traumhafte Episoden, deren Zusammenhang - wie oft bei diesem Regisseur - nicht auf den ersten Blick deutlich wird.

Das Leben (und Sterben) in einer Welt mit beseelten Wesen und Gegenständen als Zyklen der Wiedergeburt zu sehen, ist das große Geschenk des eigenwilligen Filmemachers an seine Zuschauer. Bei „Onkel Boonmee" erlebt man das Hinübergehen so leicht, dass der Film auch Komödie ist. Derart beseeltes und nebenbei auch wunderbar entschleunigtes Kino kann tatsächlich noch bereichern.

Betty Anne Waters

USA 2010 (Conviction) Regie: Tony Goldwyn mit Hilary Swank, Sam Rockwell, Minnie Driver, Melissa Leo 111 Min. FSK ab 12

Erin Brockovich stammte aus einfachen Verhältnissen und kämpfte wie eine Löwin für Gerechtigkeit. Brockovich ist allerdings ein zahmes Kätzchen im Vergleich zu Betty Anne Waters, die ihr halbes Leben aufgibt, um mit allen Mitteln der Justiz ihren unschuldig verurteilten Bruder zu befreien. Das ist bewegend, erstaunlich und in der Geschwisterliebe beinahe unglaublich. Doch wie Erin Brockovich war auch Betty Anne Waters eine reale Figur.

Schon als Kinder sorgten Betty und Kenny immer für Ärger, sie waren Stammgäste bei der Polizei des kleinen Örtchens Ayer in Massachusetts. Betty konnte als kleines Mädchen die Jungs verdreschen, der große Bruder holte sie immer raus, wenn es nicht mehr weiter ging. Die Mutter kümmerte sich nicht um sie, sieben unterschiedliche Waisenhäuser waren ihr zuhause. Als Erwachsene holt Betty (Hilary Swank) ihren Bruder Kenny (Sam Rockwell) immer wieder aus dem Knast. Der charmante Dickkopf  lässt sich von niemanden etwas sagen, ist extrem aufbrausend. So ist er nicht überrascht, dass er wieder verhaftet wird, nur diesmal ist es ernst. Eine Armada von Polizisten steht vor der Kirche, wo Kenny sich gerade von seinem verstorbenen Großvater verabschiedet. Zwei Jahre nach dem brutalen Mord an einer Frau aus der Nachbarschaft kann eine unübersehbar befriedigte Polizistin Kenny festnehmen. Im Jahr 1983 bekommt er lebenslänglich und das Gericht verurteilt damit auch seine Schwester - zu einem erstaunlichen Leben.

Betty Anne Waters beginnt Jura zu studieren, die Mutter von zwei Söhnen ist die älteste Frau in der Klasse. Sie kellnert nebenbei und schafft die Prüfungen gerade so eben. 12 Jahre hängt sie sich derart in die Obsession, die Unschuld ihres Bruders zu beweisen, dass ihr Mann auszieht und sie mit den Kindern alleine lässt. Später wollen auch die lieber beim Vater leben. Das schmerzt, aber die Liebe zum Bruder ist größer. Bis zum Zusammenbruch kämpft Betty, während alle längst aufgegeben haben. Nur Abra Rice (klasse: Minnie Driver), eine Freundin aus dem Studium, bleibt an ihrer Seite und balanciert den erschreckenden Ernst Bettys mit gutem Humor aus. Wie im amerikanischen Recht üblich, brauchen sie einen Präzedenzfall und die technische Entwicklung der DNA-Tests liefert ihnen diesen. Doch eine Staatsanwältin mit politischen Interessen steht Kennys Freilassung weiterhin im Wege. Irgendwann gibt es Email, die Handys sind klein geworden, aber die Blutproben immer noch nicht untersucht...

„Betty Anne Waters" erzählt eine eindrucksvolle, wahre Geschichte, die sich Anfang der Achtziger ereignete. Eine unprätentiöse Inszenierung vom TV-Routinier Tony Goldwyn lässt den Darstellern allen Raum, bis man glaubt, Hilary Swank („Boys Don't Cry") ist wirklich Betty Ann Waters. Deren Beharrlichkeit erstaunt zunehmend, denn es dauert auch im Kino 90 Minuten, bis Hoffnung aufkommt - dieser Film macht es nicht leicht, an die Unschuld von Kenny zu glauben. Swank fesselt in allen Verfassungen - bis zum nahen Wahnsinn. Auch Sam Rockwell altert in der Rolle ansehnlich, aber sein Kenny bleibt immer noch jähzornig. Überhaupt ist „Betty Anne Waters" im Stil unauffällig, aber durchgehend hervorragend besetzt. Juliette Lewis spielt beispielsweise eine herrlich schlampige Zeugin, die gegen Kenny aussagt und sichtbar stinksauer auf ihn ist. Das Drama feiert keine überschwängliche Freude am Ende, denn es bleiben 18 Jahre unschuldige Haft. Allein das New Yorker Projekt, das auch Betty Anne Waters in den letzten Monaten unterstützte, erreichte seit 1989 über 250 Freisprüche auf Basis von DNA-Beweisen! 

14.3.11

Faster

USA 2010 (Faster) Regie: George Tillman Jr. mit Dwayne Johnson, Billy Bob Thornton, Oliver Jackson-Cohen 98 Min. FSK ab 18

Dwayne Johnson macht wieder in aller seiner immer noch hochtrainierten Körperherrlichkeit den schnellen und furiosen Driver. Dieser namenlose Fahrer kommt aus dem Gefängnis, wartet auf niemanden, läuft einfach los. Bis zu seinem Ford Mustang, der gut verstaut bereitsteht. Zur Innenausstattung gehört ein Revolver unter dem Sitz. Nichts hält Driver auf und selten ist ein Entlassener so schnell rückfällig geworden: Wie aus der Pistole geschossen knallt er einen Büroarbeiter ab. Die Polizei tappt noch im Dunkeln, da hat der Ex-Häftling schon einen älteren Herren in den endgültigen Ruhestand befördert. Es traf nicht unbedingt den Falschen, denn dieser wollte sich gerade über ein betäubtes Mädchen hermachen. Der ganze Staat sucht mittlerweile den wenig dezent arbeitenden Driver über die TV-Nachrichten. Auch ein aalglatter Yuppie - der Killer - bekam den Auftrag, den Mörder zu ermorden. Immer zu spät ist derweil ein Junkie mit Dienstmarke. Billy Bad Thornton, der Ex-Mann von Angelina Jolie, macht den Bad Lieutenant, hier einfach Cop genannt. Zehn Tage vor dem Ruhestand (so alt ist Billy Bob echt noch nicht!) scheint er im Gegensatz zu seiner Kollegin Cicero (Carla Gugino) nicht besonders wach oder interessiert, hinter das Motiv des Driver zu kommen.

„Faster" sieht wirklich gut aus und hat einige starke Momente. Das Styling des B-Pictures, das sich selbst etwas zu ernst nimmt, ist erlesen, von den aufgepumpten Körpern bis zum Wagen- und Waffen-Arsenal des Killers und seiner Edel-Gespielin klarst ausgeleuchtet. Der Killer Oliver Jackson-Cohen hat allerdings außer eng stehenden Augen vor lauter Luxus nichts zu bieten. Sein Duell mit dem Driver ist wie das von Mustang und Ferrari: Die Kraft der Natur gegen gelackte Edel-Pferdestärken. Der eine getrieben von Schmerz und Rache. Der andere will nur glänzen und könnte auch Bausparverträge verkaufen. Er tötet als Hobby und lässt sich mit nur einem Dollar bezahlen. Doch bei aller Bemühung von Kamera und Regie: Der tragische Held steht Dwayne The Rock Johnson ebenso wenig wie der Kindergarten-Cop oder -Clown. Billy Bob Thornton macht hingegen als kleiner, wirklich schäbiger Cop nachhaltig Eindruck. Nicht seine größte Rolle, auch nicht die dreckigste, die war der „Bad Santa". Es bleiben auf der Positivliste die rasante Verfolgungsjagd im Rückwärtsgang, ein paar starke Momente und die Endabrechnung mit drei Männern, drei Pistolen und drei Überraschungen.

9.3.11

Justin Bieber - Never say never

USA 2011 (Justin Bieber - Never say never) Regie: John Chu 105 Min.

Infizierte Jugendliche werden es sich kaum vorstellen können: Für den Autoren dieser Zeilen war Justin Bieber irgendwie immer eher eine pelzige Zeichentrickfigur. Das Ohr unbeschädigt von den hohen Tönen des Teenie-Stars wundert sich jemand, dessen Idole in vergangenen Jahrtausenden eher David Bowie hießen und auf keinen Fall glatt und lieb aussahen.

„Justin Bieber - Never say never" ist zuerst ein typisches Starporträt in Konzertform bei der dieses kanadische Jüngelchen ohne markante Persönlichkeit recht verloren wirkt. Nur in 3D auf der Buhne bekommt er wenigstens Bildtiefe, der Rest fällt flach (aus). Die kreischenden Fans wird es nicht stören. Bis auf einen bombastischen Anfang lässt der mäßig inszenierte, überlange Film durchaus Raum für kritische Betrachtungen. Man kann quasi fühlen, dass viele auf spontan gemachte Szenen nur inszeniert sein können - mit 3D geht das nicht spontan! Das Tourleben mit der vermeintlichen Familie stellt sich harmonisch dar, doch kann eine Entzündung im Hals nach hunderten von Konzerten über einen Zeitraum von zwei Jahren tatsächlich der einzige Schaden für einen jungen Jugendlichen sein?

Das bescheidene Wunderkind, das mit fünf Jahren schon eindrucksvoll Schlagzeug spielte und auch noch Gitarre und Klavier lernte, wirkt heute wie ein angepasster Streber. Bemerkenswert wie der noch jüngere Jaden Smith, neben Usher und Miley Cyrus einer von vielen Partnern auf den Konzerten, das Mega-Sternchen Bieber mit Ausstrahlung und Persönlichkeit in den Schatten stellt. Egal ob diese Karriere über YouTube und Twitter entstand, die Musik ist dünn und nichtssagend. Zum Glück spielt der Film auch relativ wenig von ihr. Er ist auf keinen Fall 3D-Material und Regisseur John Chu ist kein Wim Wenders. Besonders die Bühnen-Szenen sind vom Schwächsten. Ein Fan-Film, der noch schneller als sein Star vergessen sein wird.

Alles erlaubt

USA 2011 (Hall Pass) Regie: Bobby Farrelly, Peter Farrelly mit Owen Wilson, Jason Sudeikis, Christina Applegate 105 Min.

„Angesiedelt zwischen derben Witzen und einigem Tiefgang" schrieb der film-dienst zu „Nach 7 Tagen ausgeflittert", dem letzten Film der Brüder Bobby und Peter Farrelly. Tatsächlich ist die neue Komödie der Macher von „Unzertrennlich" (2003), „Ich, beide & sie" (2000) oder „Verrückt nach Mary" (1998) erstaunlich reif und voller Tiefgang - ohne Verzicht auf Zotten, Fäkalem und sonstigem Grobem.

Rick und Fred (Owen Wilson und Jason Sudeikis) sind eingerostete, brave und ihren kleinen Ausflüchten völlig berechenbare Midlife-Ehemänner. Es gibt nicht mehr viel Sex in ihren Ehen. Man denkt, es liegt an mangelnder Zeit, aber eigentlich will die Frau gar nicht mehr. So drehen sich Männergespräch um alle anderen Frauen und die bevorzugten Orte der Masturbation. Irgendwann reicht Maggie (Jenna Fischer) das pubertäre Theater und sie gibt ihrem Mann für eine Woche einen Freifahrtschein von der Ehe. Nicht ganz überzeugt lässt auch Grace (Christina Applegate) ihren Fred von der Leine. Nun erfahren die recht beschränkt Sex gesteuerten Herren, dass sie gar nicht mehr wissen, wo man Singlefrauen findet, geschweige denn, wie man sie anspricht.

Die Woche der sexuellen Freiheit entwickelt sich zum albernen und komischen Fettnäpfchen-Parcours. Da führen mit Gras angereicherte Brownies zu Schweinereien auf dem Golf-Grün, ein vermeintliches Date mit der australischen Kellnerin endet in der Schwulensauna, Anmachersprüche aus dem Netz werden noch peinlicher, wenn man sie nicht richtig aufsagt. Während sich die sexuelle ausgehungerten Herren extrem dämlich verhalten und trotzdem ihre Chance bekommen, haben die Frauen an der Küste eine klasse und richtig romantische Zeit...

Den Brüdern Farrelly gelingt mit „Alles erlaubt" die Quadratur des Kreises: Zwar ist der Humor oft kindisch, doch die Ehegatten sprechen in ihrem Viagra-Redefluss die Wahrheit aus. Sexuelle Details werden ebenso wenig ausgelassen wie klare Worte zum Verlauf von Beziehungen. Auf diesem Gebiet werden nun Erkenntnisse vermittelt, die man auch bei Shakespeare oder in eine Oper von Mozart findet. Zwar hat diese sehr menschliche Komödie nicht so ein bitteres Finale wie es andere Menschendurchschauern - Chabrol oder Woody Allen - oft präsentieren. Hier ist tatsächlich „Alles erlaubt", selbst ein Liebesfilm-Happy End.

Wer wenn nicht wir

BRD 2011 (Wer wenn nicht wir) Regie: Andres Veiel mit August Diehl, Lena Lauzemis, Alexander Fehling 124 Min.

Was ist privat, was politisch? Diese Frage beschäftigte und beschäftigt immer wieder politisch aktive Menschen, selbstverständlich auch den linken Protest der Sechziger und Siebziger in der Bundesrepublik. Die Themen in „Wer wenn nicht wir", dem komplexen Spielfilm-Debüt des ausgezeichneten Dokumentaristen Andres Veiel („Balagan", „Black Box BRD", „Der Kick"), sind Beziehung und Engagement von Gudrun Ensslin und Bernward Vesper, sind privat und politisch.

Im Gegensatz zu Eichingers „Baader Meinhof Komplex" blickt Andres Veiel  hinter die Klischees, hinter die Phrasen von der radikalisierten Pastorentochter. Anfang der Sechziger siezst man sich noch an der Uni und auch sonst wo, selbst junge Männer (er-)tragen Krawatten und überall rauchen Zigaretten. Bernward Vesper (August Diehl) beginnt sein Studium in Tübingen, diskutiert und diniert mit Walter Jens. Der engagierte Student Vesper trägt allerdings eine schwere Last, sein verehrter und geliebter Vater Will war Großschriftstellers der Nazis, schrieb Grußverse an den Führer. Während Bernward Papas Werke im nebenbei gegründeten Verlag wieder rausbringen will, begeistert er sich auch für linke Autoren und Ideen. Darin findet er sich mit der Kommilitonin Gudrun Ensslin (Lena Lauzemis), die bald Mitbewohnerin, Freundin, Übersetzerin und Sekretärin wird. Eine andere Freundin zieht gleich mit ein, denn „warum muss ein Dreieck immer zur Geraden schrumpfen?" Mit solchen Sprüchen gibt sich Gudrun zwar offen, doch auf Bernwards Liebschaften reagiert sie immer wieder mit radikalen Selbstverletzungen. Nach 1964 sind Bernward und Gudrun in West-Berlin Teil der außerparlamentarischen Opposition. Doch dann ist da auf einer Party dieser Andreas Baader (Alexander Fehling). Ein frecher Prolet, ein Macho mit dickem Schlitten und Ego, ein Mann der Tat, während Bernward die Gesellschaft mit seinen Büchern verändern will.

„Wer wenn nicht wir" basiert auf dem Sachbuch „Vesper, Ensslin, Baader – Urszenen des deutschen Terrorismus" von Gerd Koenen. Exakt solche Urszenen zeichnet Veiel mit gelungener Inszenierung und tollem Schauspiel nach. Gudrun Ensslin wirkt schon jung hart im Gesicht und im Ausdruck. Doch erst als Baader mit dem Telefonkabel die Verbindung zu ihrem Sohn aus der Wand reißt, endet Jahre später zumindest formal die Zerrissenheit der nun offiziellen Terroristin. Ganz ohne Dokumentation kommt Veiel auch diesmal nicht aus, die Einbettung in die Weltpolitik gelingt mit historischem Material und super Ausstattung hervorragend. Dabei beobachtet man aber vor allem die Nuancen der persönlichen und politischen Handlungen. Auch wenn der Film in der verzweifelten Tragödie eines Liebenden endet, sich politische Analyse und persönliches Mitfühlen die Waage halten, verschenkt Veiel diese detaillierte Nachzeichnung mit den Mitteln der Fiktion nie an große Gefühle, die andere als Maxim der Unterhaltung zentral setzen. Eine spannende Balance zwischen Politischem und Persönlichem.

8.3.11

Almanya - Willkommen in Deutschland

BRD 2010 Regie: Yasemin Samdereli mit Vedat Erincin, Fahri Yardim, Lilay Huser, Demet Gül, Rafael Koussouris, Aylin Tezel, Denis Moschitto 101 Min. FSK ab 6

„Türkisch für Anfänger" war der charmante, umwerfend komische TV-Erfolg nach Drehbüchern der Schwestern Nesrin und Yasemin Samdereli aus Dortmund. Nun teilten sie sich Buch und Regie, um auch auf der großen Leinwand Probleme von Einwanderung und Integration mit viel Spaß darzubieten. Der Clou von „Almanya" liegt im Perspektiv-Wechsel: Alle Türken reden deutsch und die Deutschen irgendein unverständliches Kauderwelsch. Zudem kann man mit den ersten Gastarbeitern und ihren Familien darüber staunen, dass Deutsche Riesenratten an Leinen - gemeint sind Dackel - umher führen und überall diesen halbnackten, blutigen Mann - Jesus - an die Wand hängen. Eine Horrorvorstellung für kleine Anatolier!

Das Leben von  Hüseyin Yilmaz, des Ein-Millionen-Ersten Gastarbeiters, wird in „Almanya - Willkommen in Deutschland" aber auch recht ernsthaft erzählt: 1964 kommt Hüseyin nach Deutschland, um sein Familie im fernen Anatolien zu ernähren. Ein wechselhaftes Leben - von dem wir nicht viel erfahren - später hat er eine große Familie und überrascht diese mit der Nachricht, er habe ein Haus in „der Heimat" gekauft. Die Kinder und Enkel sollen alle zusammen in die Türkei, um es aufzumöbeln. Dem jüngsten Spross der Familie entfährt die zentrale Frage: Was sind wir eigentlich Türken oder Deutsche? Während der Reise erzählt die Enkelin ihm eben diese Geschichte des Großvaters mit vielen witzigen Anekdoten. Gleichzeitig quält die junge Frau ihre noch geheim gehaltene Schwangerschaft mit ausgerechnet einem Engländer! Ansonsten kennt die harmlose Wohlfühl-Komödie keine größeren Probleme, aber auch nur wenige große Momente und Bilder. „Almanya - Willkommen in Deutschland" unterhält sehr gut und leicht, wurde toll gespielt und hat das Zeug zu einem Komödien-Hit. Ob die Samdereli auch richtig Kino können, beispielsweise wie Fatih Akin in „Solino", kann hoffentlich ihre nächste, größere Produktion zeigen.

Der Plan

USA 2011 (The Adjustment Bureau) Regie: George Nolfi mit Matt Damon, Emily Blunt, Anthony Mackie, Terence Stamp 109 Min. FSK ab 12

Sie haben die Wahl: „Der Plan" lässt sich als allmähliche Entdeckung lesen. Mit der Überraschung, dass sich in der Hollywood-Verpackung ein sehr raffinierter Ideen-Komplex mit Abzweigungen ins Esoterische, ins Philosophische und Weltanschauliche verbirgt. Man kann es auch kurz fassen: Nach einem Buch von Philip K. Dick! Der fleißige Science Fiction-Autor (1928 - 1982) unterfütterte schon „Blade Runner", „Minority Report" aber auch „Total Recall" und „Paycheck". Diesmal gelang den Drehbuchautor und Regie-Debütanten George Nolfi die leichte Erzählung eines grundlegenden philosophischen Dilemmas.

Die Bevölkerung des Staates New York hat die Wahl und entscheidet sich gegen die große Hoffnung, den jungen Politiker David Norris (Matt Damon), weil dieser bei einer Party nicht nur sinnbildlich die Hosen runter ließ. Kurz bevor David mit einer Rede seine Niederlage eingesteht, trifft er im Herrenklo des Walldorf die Britin Elise (Emily Blunt ). Sie ist Liebe auf den ersten Blick und zudem Inspiration für eine Rede, die noch lange Wellen schlagen wird. Der Zufall will es, dass sich David und Elise am nächsten Tag im Bus widersehen. Auch dieses humorige Treffen lässt die Herzen höher fliegen, ein Smartphone landet im Kaffee-Becher und ihre Nummer auf seiner Karte. Doch das Schicksal ist gegen ein weiteres Treffen - das Schicksal in Form von Männern mit Anzug und Hut. Sie entführen den bass erstaunten Mann aus Raum und Zeit, um ihm zu erklären, wie die Welt funktioniert.

Immer wieder sucht die Menschheit Bilder für das Schicksal und immer gibt es Individuen, die sich gegen Fatalismus auflehnen. Die ganzen Götter- und Helden-Geschichten der Griechen erzählen davon. In der nordischen Mythologie wirken die Nornen am Lebensfaden. Der polnische Regisseur und Zyniker Krzysztof Kieślowski (1941 - 1996) beantwortete den Einwand „Der Zufall möglicherweise" extrem zynisch mit der Erkenntnis, dass am Ende alles gleich bleibt. George Nolfi lässt nun, nach der  Buchvorlage von Philip K. Dick, ein paar graue Männer, menschlichere Varianten des Mr. Smith aus „Matrix", das Schicksal kontrollieren. Sie werden auch Engel genannt und dienen - recht bürokratisch und mit wenig Mitgefühl - einem höheren Wesen, hier Vorsitzender genannt.

Das Schicksal hat Größeres vor mit David Norris. Der Plan besagt, dass er nicht nur die nächste Wahl zum Senator gewinnt sondern auch noch vier weitere. Eine Liebe zu Elise passt da nicht rein, scheinbar schaffen Menschen nur Großes, wenn sie eine große Leere in ihrem Herzen ausfüllen müssen. Und wie steht es da mit der freien Entscheidung der Menschen, fragt sich nicht nur David. Die bittere Antwort von Thompson (Terence Stamp), dem eindrucksvollsten der grauen Herren: Es sei immer schief gegangen, wenn man den Menschen Freiheit gelassen hätte. Zuletzt 1910-1963 mit dem Ergebnis von zwei Weltkriegen, der großen Depression und der Kuba-Krise. Man musste eingreifen, bevor die Menschheit alles zerstört hätte.

David Norris, ein Mensch mit Einsicht in das geheime Uhrwerk des Schicksals, entsagt seiner Liebe, um die Tanz-Karriere von Elise nicht zu beenden. Doch nur für ein paar Monate, dann sind die Gefühle stärker und ein einzelner versucht, den Lauf der Dinge zu verändern - mit den Mitteln der grauen Männer. Endlich kann Matt Damon dabei wieder rennen und flüchten. Durch Türen, die weit entfernte Orte New Yorks direkt miteinander verbinden. In dem SciFi-Universum aus „Matrix" und „Inception" erhält die Spannung ebenso viel Raum wie Gefühl und Nachdenken. Eine klassische Geschichte im modernen Look, die das Leben nicht verändern wird, aber bei der man wahlweise auch mal nachdenken kann.


Biutiful

Spanien, Mexiko 2010 (Biutiful) Regie: Alejandro González Iñárritu mit Javier Bardem, Karra Elejalde, Blanca Portillo, Rubén Ochandiano 147 Min.

Angesichts seines baldigen Krebstodes versucht Uxbal in Barcelona sein bisheriges Leben aufzuräumen. Zwischen ehrenwerten Absichten, einem guten Herzen und krummen Geschäften kümmert sich der erste Mann um illegale Arbeiter, seine beiden Kinder und die Ex-Frau. Zwar müden die verzweifelten Bemühungen in einer Katastrophe, doch der ebenso poetische wie spirituelle Film von Alejandro González Iñárritu („Amores perros", „21 Gramm", „Babel") führt seine von Javier Bardem eindrucksvoll gespielte Hauptfigur zu einem versöhnlichen Ende.

Zwischen den Welten - selten passte eine Beschreibung besser auf eine Figur: Uxbal (Javier Bardem) spricht mit den Toten und ist selbst schon halbtot. Sein Krebs lässt ihm nicht mehr viel Zeit. Deshalb will Uxbal noch vieles erledigen, sich um vieles kümmern. Und es gibt viel, um das sich ein Mann in Barcelona kümmern kann. Da sind Schwarzafrikaner ohne Aufenthaltsgenehmigung, die von Uxbal gegen Geld vermittelt und dann von chinesischen Menschenhändlern ausgebeutet werden. Doch Uxbal will ihnen anständige Unterkünfte und Lebensbedingen garantieren. So verhandelt er mit den Chinesen, besticht die Polizei und redet als Freund mit den Illegalen.

Weil die bipolare Mutter Marambra (Maricel Álvarez) ihnen kein gutes Zuhause bieten kann, muss Uxbal sich zwischen der Chemotherapie wieder um seine beiden Kinder Ana und Mateo kümmern. Und auch die Liebe zu Marambra brennt weiterhin, obwohl sie in der Vergangenheit sehr zerstörerisch war. So ist der ernste, stille Mann in einem Moment ungemein liebevoll, dann wieder sehr genervt. Dann gibt es noch die Stimmen aus der anderen Welt, aus dem Jenseits, in dem Uxbal in einigen Wochen sein wird. Und längst hat er noch nicht gut Geld gespart und ergaunert, um seinen Kindern ihre Zukunft zu erleichtern.

„Biutiful" ist eine spezielle Art, „schön" auf Englisch zu schreiben und eine besondere Art der Schönheit. Rührend ohne jeden Kitsch ist das Verhältnis des Mannes zu seinen Kindern, vor allem zu der älteren Tochter Ana. Übersinnlich sind die Erscheinungen Uxbals im Spiegel oder eine Begegnung mit seinem Selbst, das wie eine Spinne an der Zimmerdecke hängt. Doch dies alles frei von Horror, vielmehr in poetischen Bildern angefüllt mit der Angst vor dem Ungewissen, vor dem „Hinübergehen".

In Cannes hing sich die Kritik daran auf, dass Alejandro González Iñárritu („Amores perros") nicht wie in seiner Globalisierung des Gefühls „Babel" oder in dem Schuld-Puzzle „21 Gramm" verschiedene Erzählstränge verflochten hat. Einerseits würden die gleichen flachen Argumente auch eine Wiederholung dieses Schemas bemängeln. Zudem könnte man auch sagen, in der Figur Uxbals vermischen sich mehr unterschiedliche Stränge als in den Figuren aus vorherigen Filmen. Dieses Barcelona - in seinen vom Tourismus freien Gassen ein Hauptdarsteller des Films - ist außerdem derart globalisiert, dass es keiner exotischen Parallel-Sets bedarf. So mag „Biutiful" im Fluss der Geschichte etwas konventionell sein - Figuren, Visionen, Gefühle und die ungewöhnlichen Mittel sind es nicht. Wenn sich der poetische Rahmen versöhnlich um den Abschied Uxbals schließt, vollendet sich das großartige Erlebnis dieses eindringlichen Films.

2.3.11

Snowman´s Land DVD

Regie: Tomasz Thomson

Thriller, Komödie

Gute Typen, trockene Dialoge, klasse Songs - das kann nicht nur Tarantino, so Gutes gibt es auch aus deutschen Landen: Walter (Jürgen Rißmann) hat einen zu viel umgebracht und sollte unbedingt mal „Urlaub machen", wie sein Boss nachdrücklich betont. Zum Glück gibt es einen Job in den eingeschneiten Karpaten, in einem einsamen Hotel. Walter soll bei diesem rätselhaften Einsatz das Gebäude für den Unterwelt-Boss Berger (Reiner Schöne) vor Einheimischen und Konkurrenten schützen. Nebenbei vielleicht auch noch Bergers Geliebte Sibylle (Eva Katrin Hermann) überwachen. Als Kollege wurde Walters alter Bekannter Micky herbei geordert. Der durchgeknallte Abknaller hat seit seinem letzten Bombeneinsatz eine Metallplatte im Kopf und ist selber hochexplosiv. Als Sibylle durch ein dummes Missgeschick ums Leben kommt, lassen Walter und Micky die Leiche verschwinden und legen eine falsche Fährte. Mysteriöse Angriffe von Außen und Kazik (Waléra Kanischtscheff), die asiatische Rechte Hand Bergers, sorgen für Action, so dass der Wahnsinn bald eine blutige Spur in den Schnee zeichnet.

Der Reiz in dieser gelungenen Genre-Variante liegt in der guten Ausführung, die wahrscheinlich nach viel mehr Geld aussieht, als tatsächlich da war. Aber vor allem auch in den schrägen und originellen Ideen. Erfreulich auch das reichhaltige Bonus-Material mit „Making of", Outtakes, Aufnahmen vom Dreh und weiteren Hintergründen dieser Filmproduktion.

I Am Love DVD

Regie: Luca Guadagnino

Drama

Eine große Familiengeschichte. Der Weg einer besonderen Frau zu sich selbst und in die Freiheit. „I Am Love" ist eines dieser Meisterwerke, vor denen man nur ergriffen dastehen oder dahin schmelzen kann. Tilda Swinton, die als Produzentin den Stoff elf Jahre lang mitentwickelt hat, glänzt als selbstvergessene russische Frau eines italienischen Patriarchen und ist auf der DVD auch - wie der Regisseur Luca Guadagnino - im Interview zu Film zu sehen.

Emma Recchi (Tilda Swinton) steuert mit aufmerksamem Blick und kleinen Gesten das Personal an diesem feierlichen Abend. Der Schwiegervater wird die Mailänder Stoff-Dynastie an die nächste Generationen weitergeben, an Emmas Gatten Tancredi Recchi (Pippo Delbono) und den gemeinsamen Sohn Edoardo (Flavio Parenti). Nach dieser Winterszene springt der Film in die sommerlichen Straßen Mailands und San Remos, in denen Emma Überraschendes über ihre Tochter Elisabetta Recchi (Alba Rohrwacher) erfährt und sich in einer Affäre mit Antonio Biscaglia (Edoardo Gabbriellini) dem Freund des Sohnes verliert. Dabei schafft es der sensationell sinnliche Film, das freie Glückgefühl der Verliebten dem Publikum durch ungewöhnliche Naturbilder und den prägnanten Musikeinsatz des Minimal-Music-Kompositionen John Adams zu vermitteln. Seit einer Woche ist „I Am Love" in den Videotheken und ab dem 15.03. als Kauf-DVD erhältlich.

Stone DVD

Regie: John Curran

Thriller

Die Besetzung mit Edward Norton, Robert De Niro und Milla Jovovich ist klasse. Dass „Stone" nicht in deutsche Kinos kam und mit einer Altersfreigabe ab 16 als DVD erhältlich ist (Verkauf: 15.03.2011), mag daran liegen, dass er ein psychologisch wie auch in der Darstellung einiger Szenen sehr harter Film ist.

Er beginnt mit einer Rückblende: Die junge Frau will ihren Mann verlassen. Er droht, das gemeinsame Kind zu töten, hält es aus dem Fenster. Jahrzehnte später sitzt er immer noch vor dem Fernseher und trinkt, während sie noch seine Frau ist.

DeNiro spielt diesen Bewährungshelfer kurz vor dem Ruhestand, der seine festen Kunden noch bis zur nächsten Bewährungssitzung begleiten will. Ein verurteilter Brandstifter (Edward Norton) beginnt zusammen seiner attraktiven Frau (Milla Jovovich) ein psychologisches Spiel, bei dem es keine sympathischen Charaktere gibt.

Edward Norton wurde mit solch einer Rolle bekannt. In „Zwielicht" spielte 1995 als Mörder mit Richard Gere. „Stone" eröffnet seine Winkelzüge mit der ungewöhnlichen Prämisse, dass der Vertreter von Moral und Gesetz, ein braver Kirchgänger, durch den Vorspann sehr bedenklich gesetzt wurde. Ein dreckiges Spiel um Gewalt und Verführung.

Eine Familie

Dänemark 2010 (En Familie) Regie: Pernille Fischer Christensen mit Jesper Christensen, Lene Maria Christensen, Pilou Asbæk, Anne Louise Hassing, Coco Hjardemaal 103 Min. FSK ab 12

Hinter dem unscheinbaren Titel „Eine Familie" verbirgt sich ein eindrucksvolles und tiefes Meisterwerk der Menschlichkeit und des Menschseins. „Eine Familie" könnte auch unscheinbar „Ein Leben" heißen. Oder der gefühlten Fülle des Films entsprechend „Das Leben". Die Dänin Pernille Fischer Christensen setzt mit diesem wunderbaren Film als internationale Newcomerin die Tradition ebenso bodenständiger wie lebenskluger Filme fort.

Eine dänische Familie feiert die Wiederkehr des Patriarchen Rikard Rheinwald (Jesper Christensen) nach erfolgreicher Chemotherapie. Viel Glück und strahlende Gesichter. Wir - mit der Kamera mittendrin - fühlen uns direkt ganz nah dabei. Rikard verkündet, dass er seine zweite Lebenspartnerin, die während der Krankheit an seiner Seite stand, heiraten wird. Doch mitten in der schönen, ausgelassenen Hochzeitsparty wirft ihn ein Schwindel zu Boden. Die Diagnose ist brutal: Ein Tumor im Kopf ist nicht operabel. Der baldige Tod ist unausweichlich. Heftige Veränderungen der Persönlichkeit und des Lebens sind zu erwarten.

Die große Persönlichkeit Rikard Rheinwald will sich nicht unterkriegen lassen. Entschlossen flieht er das Krankenhaus und lädt seine Lieblingstochter Ditte (Lene Maria Christensen), die Älteste, in seine große Brotfabrik. Sie soll den Traditionsbetrieb, der seit Generationen den Namen Rheinwald trägt und auch Könige beliefert, fortführen. Doch Ditte startete gerade froh gelaunt in eine neue Lebensphase: Eine Galerie in NY bot ihr einen Job an, der Freund wollte mit. Ein Wehmutstropfen lag in der Schwangerschaft, die nicht zum richtigen Zeitpunkt kam. Aber beide entschieden sich zusammen für das neue Abenteuer. Zwischen Vater und Tochter entsteht ein Zwist, das Familienoberhaupt wird durch die Krankheit herrisch, Ditte ist hin und her gerissen.

Die jüngere Tochter hat sich dagegen bereits von dem Vater abgelöst, kommt nicht für die Firma in Frage. Die Kinder aus zweiter Ehe sind noch klein und erschreckend indifferent gegenüber dem schwächeren alten Mann. Auch sie müssen lernen, mit Krankheit umzugehen. Ihre Mutter emanzipiert sich ausgerechnet jetzt, will den Leidenden mit seinen An- und Ausfällen nicht im Haus haben.. 

Es ist faszinierend, wie jede Figur dieser Familie ihre eigene Entwicklung mitmacht. Diese „Familie" ist dabei - wie es skandinavische Film so ausgezeichnet können - lebensecht, glaubwürdig, erdig, direkt zum Anfassen. Dazu atemberaubend gut gespielt. Veränderungen der Gefühlslagen kommen in den scheinbar einfachen Bildkompositionen (Kamera: Jakob Ihre) sehr wirkungsvoll rüber. Obwohl Pernille Fischer Christensen ohne laute Töne, ja fast ganz ohne Musik (Sebastian Öberg) und vor allem ohne konventionellen (Hollywood-) Kitsch arbeitet. „Eine Familie" ist kein Melodram und doch bis zum schmerzlich schönen letzten Atemzug tief berührend.

1.3.11

The Tree

 

Australien, Frankreich, BRD, Italien 2010 (The Tree) Regie: Julie Bertucelli mit Charlotte Gainsbourg, Morgana Davies, Marton Csokas, Christian Byers, Tom Russell 100 Min. FSK ab 6

 

Pünktlich zum 20. Todestag von Serge Gainsbourg kommt dieser traumhafte Film mit seinem mittlerweile sehr reifen Töchterchen Charlotte in die deutschen Kinos. Wie um sich dem Vater würdig zu erweisen, zeigt die Sängerin und Schauspielerin auf raffinierte Art eine der vielen Facetten ihres Könnens. Dass man Charlotte Gainsbourg parallel zum „Antichrist" wieder beim Schmusen mit einem Baum sieht, mag Zufall sein. Mit vielen eindringlichen Darstellungs-Nuancen zwischen düsterem Horror („Antichrist") und lichter Natur-Mystik in „The Tree" ist Gainsbourg wieder ein Grund, ins Kino zu gehen. Julie Bertucellis zweiter Kinofilm (nach „Seit Otar fort ist", 2003) ein noch besserer.

 

Ein netter Vater, eine glückliche Tochter fahren durch überwältigende australische Landschaften nach Hause. Da ereilt ihn eine Herzattacke, der führerlose Pickup rollt die letzten Meter aus und stößt gegen einen riesigen Baum vor dem Hause der Familie. Peter O'Neil lässt nicht nur Tochter Simone (Morgana Davies) zurück, sondern auch noch drei weitere Kinder und seine Frau. Dawn O'Neil (Charlotte Gainsbourg) streckt die Trauer nieder, regungslos verharrt sie tagelang im ehelichen Schlafzimmer. Simone findet ihren Schmerz-Ort im Bau und bemerkt ganz nebenbei aber ernsthaft, Vater würde durch den Bau zu ihr sprechen. Dawn verbittet sich den Blödsinn, aber als die Tochter nur mit fremder Hilfe von Ungetüm aus Ästen und Wurzeln herunter geholt werden kann, kommt die junge Witwe den pflanzlichen Armen näher. Und spürt etwas. Der Baum nimmt in der Folge zunehmend Raum ein, verstopft die Wasserleitungen. Ein knackiger Klempner namens George (Marton Csokas) behebt das Problem und bietet Dawn einen Posten sowie den Platz an seiner Seite an. Daraufhin kracht ein gewaltiger Ast in ihr Schlafzimmer, die belebte Natur macht sich mit Fröschen im Klo und Flughunden in der Küche bemerkbar.

 

Eine Geschichte von Abschied und Trauer, in der unter betörend blauem und weitem Himmel von ganz ferne die Mystik aus Peter Weirs „Picknick am Valentinstag" anklingt.  Auch in „The Tree" schwebt die Musik. Julie Bertucelli schafft es vor allem durch das sichere Spiel von Charlotte Gainsbourg, die sehr ungewöhnliche Geschichte - nach dem Roman „Our Father, Who Art in the Trees" von der australischen Autorin Judy Pascoe - glaubwürdig und gerade nicht „spinnert" zu präsentieren. Nach einem heftigen Sturm bleibt stimmig eine besondere Stimmung zurück, in der Menschen und Natur innig verbunden sind.