24.1.11

Another Year


Großbritannien 2010 (Another Year) Regie: Mike Leigh mit Jim Broadbent, Ruth Sheen, Oliver Maltman, Lesley Manville 129 Min.

Ein nettes, älteres Paar, das sich herzlich um Freunde, Familie und Pflanzen kümmert. Freundliche, zivilisierte Briten, denen man nur das Beste wünscht, aber keinen Film, schon gar keinen von Mike Leigh zutraut. Doch der fast 70-jährige Brite, der mit „Nackt“ und „Vera Drake“ auftrumpfte, zeigte schon mit „Happy-Go-Lucky“, dass er die Abgründe von Nettigkeit ebenso meisterlich ausloten kann. Nun stellt er in „Another year“ dem übermäßigen, nahezu unerträglichen Lebensglücks eines gesetzten Paares die Lebens-Verlierer in ihrer näheren Umgebung entgegen.

Tom und Gerrie - ist dieses an Cartoon-Helden erinnernde Namenspaar schon ein Scherz Leighs? Egal, das Paar (Jim Broadbent, Ruth Sheen) ist geerdet - im wahrsten Sinne des Wortes durch ihren Garten. Sie ernten, was sie im Frühling säten. Ein heftiger Schauer kann sie nicht erschrecken, macht den alten, kauzig wirkenden Londonern sogar Spaß. Das kleine Familienleben mit Schrebergarten wird ergänzt von Gerries Kollegin Mary (Lesley Manville), einer Quasselstrippe, die ihr Leben nicht geregelt bekommt und unter Alkohol schon mal einen peinlichen Seelenstriptease hinlegt. Mary findet immer Gehör bei Gerrie und hat ein Auge auf Joe (Oliver Maltman), den Sohn des Hauses geworfen, der nett aber Single ist. Auf Mary wiederum ist der körperlich und in seinen Manieren sehr ausufernde Ken scharf - eine nicht nur für sie unangenehme Vorstellung.  

Frühling, Sommer, Herbst und Winter eines Jahres begleiten das Paar mit Anhang, milde Musik erklingt dazu, keiner der Hauptfiguren passiert etwas Schreckliches. Das klingt nach gepflegter Langeweile und ist doch ein wunderbarer und mitten aus dieser anrührenden Mitmenschlichkeit plötzlich böser Film. Tom und Gerrie kümmern sich zwar um völlig verzweifelte Kollegen und Verwandte, doch mit einer gnadenlosen Konsequenz grenzt letztendlich auch die Kamera die aus, die niemals dieses komische Ding namens Leben in den Griff bekommen werden. „Another Year“ ist von einer Wahrhaftigkeit durchdrungen, die zu unerwarteter Bitterkeit umschlägt. Doch es gibt auch diesen herrlich trockenen Humor, der aber nie bösartig wird.