12.4.10

Das Bildnis des Dorian Gray


Großbritannien 2009 (Dorian Gray) Regie: Oliver Parker mit Ben Barnes, Colin Firth, Ben Chaplin, Rebecca Hall 112 Min.

Wenn die zu häufigen Verfilmungen von Oscar Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“ sich doch nur verhielten wie die Hauptfigur. Wenn sie wie Dorian Gray immer gleich blieben, könnte man noch halbwegs zufrieden sein. Auch wenn der wahre Genuss, das vom exzessiven und unmoralischen Leben gealterte und entstellte Gesicht des Porträts, das auf dem Speicher versteckt ist, der wirklich spannende Film wäre. Doch alle diese harmlosen Literaturverfilmungen bleiben selbst mehr als hundert Jahre nach Veröffentlichung von Wildes einzigem Roman hinter der Vorlage zurück. Sie sind alle eben nicht Wild(e).

Der junge Dorian Gray (Ben Barnes) kommt Ende des 19. Jahrhunderts nach London, um ein reiches Erbe anzutreten. Die brave bürgerliche Gesellschaft nimmt ihn gern in ihre öden Kulturzirkel auf, der schwule Maler Basil Hallward (Ben Chaplin) setzt seine Faszination vom schönen Gray in ein grandioses Porträt um. Eine Bemerkung des zynischen Lebemannes Lord Henry Wotton (Colin Firth) bei der ersten Betrachtung des Bildes führt zu einer teuflischen Veränderung. Für den Erhalt seiner Jugend würde man doch alles geben wollen... und von nun an altert nicht Dorian Gray, sondern nur sein Bildnis. Die Chancen seiner Jugend nutzt Gray immer mehr zu einer libertinären und hedonistischen Lebensführung. Nachdem er sich angesichts der Schauspielerin Sybil Vane (Rachel Hurd-Wood) noch verliebt wähnte, vernascht er dank sanfter Provokation durch Wotton fortan nur noch Männer und Frauen, um sie ohne Skrupel fallen zu lassen. Sybil suchte in Folge dieser Enttäuschung den Tod. Aber Gray mordet auch selbst und sein Porträt wandelt sich durch sein Leben in ein furchtbares, knurrendes Monster. Denn sein wahres Gesicht - gar lächerlich anzusehen in diesen Film - versteckt er auf dem Speicher. Ausgerechnet dort, wo er als Kind geschlagen wurde.

Die Mischung aus Teenie-Horror und Weltliteratur gibt sich grauslich, bleibt aber im Kern behäbig und brav. Ein äußerst unpassender Ansatz für einen Roman, der die Möglichkeiten des Lebens über die Grenzen bürgerlicher Konventionen hinaus austestet. So bleiben die essentiellen Fragen verloren in einer Deko, die nicht zeitgemäß ist. Um das (junge) Publikum zu erreichen, mixte man eine deftige Portion Teenie-Horror ist den Stoff. Wenn Gray verzweifelt ausruft, „meine Seele verfault, sie stinkt“, dann müssen in diesem Film Maden und Fliegen her. Gray verwandelt sich in ein Monster, das besser zum „Herr der Ringe“ als zu Oscar Wilde passt. Mit mäßigem Erfolg, wie befremdetes Lachen in einer Sneak-Premiere zeigte. Allerdings fragt man sich auch erstaunt, ob der Reiz eines hedonistischen Lebens heute überhaupt noch gefühlt werden kann, wenn bei einem Kuss zwischen Männern schon prüde verlegen gelacht wird.

„Das Bildnis des Dorian Gray“ leidet ebenso unter einem schwachen Hauptdarsteller. Wieder einmal überspielt Colin Firth („A single man“) seine Kollegen. Die spitze Sätze Wildes kommen von seinem Lord Wotton in der schärfsten Form: „Wer glücklich ist, ist nicht gut. Wer gut ist, ist selten glücklich.“ Dabei war es immerhin Oliver Parker, der Regie führte. Was besser klingt, als es ist: Von „Othello“ (1995) bis zu „Die Girls von St. Trinian“ (2007) spezialisierte sich Parker auf Literaturverfilmungen. Dabei war bereits zweimal Oscar Wilde das Opfer: Die Bühnenstücke „Ernst sein ist alles“ (2002) und „Ein perfekter Ehemann“ (1999) können im Theater bissiger sein als in solch ambitionierten Literaturverfilmungen.