16.3.10

Mensch Kotschie


BRD 2009 (Mensch Kotschie) Regie: Norbert Baumgarten mit Stefan Kurt, Claudia Michelsen, Ulrike Krumbiegel, Axel Werner 96 Min. FSK: ab 12

Mit „Mensch Kotschie“ startet diese Woche eine sensationell gute Tragikomödie im Kino. Ohne große Rummel angekündigt, schlägt der Film doch all die anderen „Werke“, deren Werbeetat „Kotschies“ Produktionskosten locker übersteigt.

Jürgen Kotschie (Stefan Kurt) steckt in den Vorbereitungen zu seinem 50. Geburtstag und mitten in einer Midlife-Crisis. Er und seine Frau Karin tragen die gleichen Pyjamas, beim planmäßigen Sex liegen die Klamotten für den nächsten Tag schon gefaltet bereit. Für das Wochenende wird der demenz-kranke Vater aus dem Heim geholt, der Sohn Mario wirkt allerdings auch nicht viel heller. Der gestresste Architekt und Baustellenleiter Kotschie verliert sich in Tagträumen seiner einstigen großen Liebe Carmen Schöne und diese Tagträume erweisen sich wesentlich besser als das, was später in der Realität eintritt. Sein Zusammenbruch interessiert seine Frau weniger als die Planung für den 50. Er müht sich wie ein moderner Tati am Alltag ab, reihenweise surreale Szenen stehen ihm im Weg. Dauernd fragen ihn junge Tramper, in welche Richtung es geht. Erst als er sich die Fernbedienung schnappt, an der sich sein Vater immer festhält, und nicht mehr den Anweisungen des Navi folgt, macht er sich auf zu seiner ehemaligen Geliebten. Unterwegs freundet er sich mit einem Hund und seinen eigentlichen Wünschen an. Mit dramatischen Folgen...

Diesen in jeder Hinsicht exzellenten Film kann man getrost mit „American Beauty“ vergleichen. Eine treffende Psychostudie inmitten eines schillernden Films. Regisseur Norbert Baumgarten („Befreite Zone“), der auch das Buch schrieb, bringt wie gute amerikanische Familien-Filme in wenigen Szenen das Gefühl seines melancholischen Helden grandios auf den Punkt. Das ist oft komisch, etwa wenn in einer öffentlichen Toilette immer der falsche Wasserhahn läuft. Und es macht immer Spaß.

Neben Stefan Kurts oscar-reifer Schauspielleistung von cooler Karaoke-Einlage („Runaway“) bis zu stillen Regungen der Verlorenheit zeigt „Mensch Kotschi“ eine sagenhafte Bild-Inszenierung (Kamera: Lars Lenski), die den inneren Aufruhr mit einer atemberaubenden Klarheit der Kompositionen verhöhnt. „Kotschie“ geht generell in die Vollen, was die filmischen Mittel anlangt. Dazu gehören auch mit Bach-Variationen (Musik: Michael Eimann) melancholisch betrachtete alte Fotos aus einer Zeit, als das Leben noch Hoffnungen hatte.